/“Friedhof der Kuscheltiere”: Wieder Leben auf dem Tierbegräbnisplatz

“Friedhof der Kuscheltiere”: Wieder Leben auf dem Tierbegräbnisplatz

Ab
wann gilt ein Buch als unverfilmbar? Friedhof der Kuscheltiere, Stephen Kings
1983 erschienener Roman, wurde 1989 erstmals von Mary Lambert adaptiert. Das
Ergebnis war ein trashiges Desaster. Sogar der Titelsong der ansonsten
verehrungswürdigen Ramones wurde in der Kategorie Schlechtester Song für die
Goldene Himbeere nominiert. Jetzt, exakt 30 Jahre später, haben Kevin Kölsch
und Dennis Widmyer den Stoff erneut aus dem Sarg geholt.

Stephen King erzählt in seinem Vorwort zur Neuausgabe des Romans dessen
Entstehungsgeschichte: Im Jahr 1978, ein Jahr nach Erscheinen von The
Shining
, unterrichtete King an der Universität von Maine und mietete sich mit
seiner Familie in einem Haus in Orrington ein, am Rand einer von Lastern viel
befahrenen Straße. Der
Kater von Kings Tochter wurde von einem Lkw überfahren, während sein Sohn einem
Unfall nur knapp entging. Daraufhin schrieb King den Friedhof der Kuscheltiere, den nicht wenige bis heute als sein unheimlichstes Buch
betrachten. Auch der Tierbegräbnisplatz im Wald hinter dem Haus war keine
Erfindung.

Das Donnern des vorbeifahrenden Trucks ist der erste und
einer der gelungeneren Schockeffekte in der 2019er-Verfilmung, wie überhaupt
das Sounddesign und die Kameraeinstellungen zum Überzeugendsten an dem Werk gehören. Was
aber ist sonst daraus geworden? Zunächst eine Idylle, die in Schrecken getaucht
ist. Dr. Louis Creed (Jason Clarke) trifft gemeinsam mit seiner
Frau Rachel (Amy Seimetz) und ihren Kindern Ellie (Jeté Laurence) und Gage
(Hugo Lavoie/Lucas Lavoie) in der beschaulichen Kleinstadt Ludlow in Maine ein.
Louis hat seine Stelle an einem Bostoner Krankenhaus aufgegeben, um als
Universitätsarzt ein, wie er hofft, weniger aufreibendes Leben zu führen. Doch schon in einer der ersten Einstellungen fliegt die Kameradrohne über ein brennendes Haus
inmitten einer erhabenen Natur, um sich dann an die von blutigen Handabdrücken
beschmierte Autoscheibe eines Volvo-SUV und an die ebenfalls besudelte Haustür
eines roten Holzhauses heranzuzoomen. 

Das ist kein filminhärenter Spoiler, denn dass die Sache,
euphemistisch ausgedrückt, nicht gut enden wird, kann sich selbst der zufällige
Kinobesucher, der den Namen Stephen King noch nie zuvor gehört hat, recht
schnell ausmalen. 

Und richtig, schon an einem von Louis’ ersten Arbeitstagen kommt es zu einem grausigen Unfall:
Der Student Victor Pascow (Obssa Ahmed) wird von einem Auto angefahren, stirbt
im Behandlungszimmer und begegnet Louis fortan als nächtlicher Warner.
Währenddessen erkundet Ellie die Umgebung des Hauses und begegnet einer
merkwürdigen Prozession von Kindern, die einen verstorbenen Hund zu einem
Tierfriedhof hinter dem Haus der Creeds bringen. Der alte Nachbar Jud Crandall
(großartig: John Lithgow) erklärt Ellie, was es mit diesem Platz auf sich hat.
Als Ellies Kater Church von einem Laster überfahren wird, ist es Jud, der Louis
über den Wall aus Totholz auf dem Tierfriedhof hinaus durch die Wälder und
Sümpfe zu einem indianischen Begräbnisplatz führt, an dem die Toten lebendig
werden.

Kings
Roman kreist um so existenzielle Fragen wie die, ob der Tod als Teil des Lebens
und mithin als etwas Natürliches zu betrachten sei oder nicht. Ob nach dem
Sterben noch etwas kommt, wie Rachel ganz selbstverständlich annimmt, oder ob
der Bildschirm mit dem letzten Herzschlag einfach schwarz wird, wie der
Mediziner Louis glaubt. Und nicht zuletzt darum, welche Konsequenzen es hat,
wenn der Mensch einer höheren Macht, nenne man sie Natur oder Gott oder
Schicksal, ins Handwerk pfuscht.

Kölsch
und Widmyer machen in ihrer Neuauflage zunächst vieles richtig, auch wenn Jeff Buhlers Drehbuch von Beginn an stark zur Überzeichnung neigt. Die Atmosphäre,
dieses familiäre Schutzidyll, das zunächst in Unbehagen, dann in Trauer und Verzweiflung
umschlägt und schließlich im Wahnsinn landet, entwickelt sich nicht zuletzt
dank der Schauspielerinnen und Schauspieler über die ersten zwei Drittel des Films vielversprechend.
Das Ensemble ist eine Klasse besser als in der zurecht verrufenen ersten
Adaption. Aber all das kann nicht verhindern, dass auch diese Friedhof der
Kuscheltiere
-Variante ganz fürchterlich abstürzt.

Das liegt zum einen daran,
dass das Drehbuch Kings Original an den entscheidenden Stellen kräftig
umgeschrieben hat, um mehr Drastik zu erzeugen, dabei aber auch jede
Subtilität, die im Roman im Subtext anklingt, opfert, indem das bei King
Unausgesprochene ausgequatscht wird. Zum anderen aber gerät der Film im
Schlussdrittel zu einer teilweise unfreiwillig komischen Zombie-Freakshow. Wie
starre Puppen tapsen Luis, Ellie und Rachel durch den Nebel der neuenglischen
Wälder, allerdings nur noch als Geisterbahnfiguren, nicht als aus der Welt
gefallene Menschen.

Vielleicht
spricht es letztendlich für die große Qualität von Stephen Kings Romanvorlage,
dass der Versuch, sie in Bilder zu übersetzen, zum Scheitern verurteilt ist.
Das Unheimliche, das Ungeheuerliche, wird bei King mit Selbstverständlichkeit
Realität. Der Horror, der dort zutage tritt, ist nicht der, der mit den Mitteln
des Horrorfilms darstellbar ist. Möge dieser Sarg zukünftig verschlossen
bleiben.

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