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Zentrum für Politische Schönheit: “Ein Frontalangriff auf die Kunstfreiheit”

Die Staatsanwaltschaft Gera hat gegen das Künstlerkollektiv Zentrum für Politische Schönheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Gespräch mit ZEIT ONLINE bezeichnet Tobias von
Laudenthal, Pressesprecher der Gruppe, diesen Vorgang als “Frontalangriff auf die Kunstfreiheit” und “Einschüchterungsversuch der Behörden”. Die Mitglieder des Kollektivs seien “bestürzt und fassungslos über den offenkundigen
Missbrauch” des Paragrafen 129 des Strafgesetzbuches, sagte von
Laudenthal. Der Paragraf gewehrt Ermittlungsbehörden weitreichende
Befugnisse, etwa eine mögliche Überwachung der Kommunikation von Tatverdächtigen über Telefon oder digitale Wege.

Dass es in Thüringen Ermittlungen gegen das Künstlerkollektiv gibt und
das Verfahren weiterhin läuft, war durch eine Antwort der dortigen
Landesregierung auf eine Anfrage der Landtagsfraktion der Linken
offenbar geworden: Auf einer entsprechenden Liste von Verfahren sei
eines gegen eine “Gruppierung von Aktionskünstlern” aufgeführt gewesen, sagte von
Laudenthal. Deren Name sei dort aber nicht explizit genannt worden. Dass es sich tatsächlich um das Zentrum für Politische Schönheit handelt, hat die Gruppe am Dienstag durch eine schriftliche Bestätigung der
Staatsanwaltschaft Gera erfahren; das Schreiben liegt ZEIT ONLINE vor.
Darauf teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass sie gegen Philipp Ruch, einen Mitgründer
des Kollektivs, wegen “Bildung krimineller Vereinigungen” ermittele.
Ruch will sich laut von Laudenthal derzeit nicht äußern.
Eine von den Anwälten des Zentrums beantragte Akteneinsicht lehnte die
Staatsanwaltschaft Gera mit Verweis auf das laufende Verfahren ab. Für eine Stellungnahme war diese unmittelbar nicht zu erreichen.

Das Zentrum für Politische Schönheit erregt seit einem Jahrzehnt immer wieder Aufmerksamkeit durch öffentliche Aktionen. Laut von Laudenthal geht die Gruppe nun davon aus, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gebe zwischen einer Aktion des Zentrums im November 2017 im thüringischen Bornhagen und der Einleitung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Gera: In der Nachbarschaft des Privathauses des AfD-Politikers Björn Höcke hatte das Kollektiv damals einen Nachbau des Berliner Holocaustmahnmals errichtet. Die Mahnmalnachbildung steht in Bornhagen bis heute. Das Zentrum sei nach
wie vor Mieter des Grundstücks, sagte von Laudenthal, und wolle dies auch
so lange wie möglich bleiben.

“Nachdem uns bereits Björn Höcke als terroristische Vereinigung anerkannt hat, folgt jetzt das Gütesiegel ‘kriminelle Vereinigung’ von keinem Geringeren als der Staatsanwaltschaft Gera”, sagte von Laudenthal. Die Künstlergruppe verlange nun, zu erfahren, “durch wen das Verfahren angestoßen wurde und inwiefern das Bundesinnenministerium eine Rolle gespielt” habe. Das Ministerium habe offenbar kürzlich für die Ausladung Philipp Ruchs von einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung gesorgt und sich dabei auf ein Ermittlungsverfahren gegen Ruch berufen. Zu dem Zeitpunkt sei aber noch gar nicht öffentlich gewesen, dass gegen Ruch ermittelt werde.

Das Kollektiv werde ungeachtet des Verfahrens seine Arbeit fortsetzen, sagte von Laudenthal. Im Namen des Zentrums forderte er die Einstellung des Verfahrens, eine “vollständige Aufklärung der Hintergründe” sowie “personelle Konsequenzen bei der Staatsanwaltschaft Gera”. Über neue Aktionen des Zentrums, mit denen es womöglich auch auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen reagieren könnte, wollte von Laudenthal nicht sprechen.

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