/Wahlrechtsreform: Dem Bundestag gelingt es nicht zu schrumpfen

Wahlrechtsreform: Dem Bundestag gelingt es nicht zu schrumpfen

Die
von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) angestrebte Reform
des Wahlrechts
ist vorerst gescheitert. Auf der Abschlusssitzung der
von Schäuble eingesetzten Kommission zum Wahlrecht konnten die
Vertreter der Parteien keine Einigung erzielen. Sowohl die
Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne, aber auch der
Koalitionspartner SPD wandten sich gegen Schäubles Reformvorschlag.

Der
Bundestagspräsident hält dennoch an seinem Ziel fest. In einem Brief an
die Fraktionsvorsitzenden warb Schäuble am Abend abermals für
seinen Vorschlag. Demnach solle die Zahl der Wahlkreise von 299 auf
270 sinken. Zudem sollten die Fraktionen “bis zu 15”
Überhangmandate ohne Anspruch auf Ausgleichsmandate hinnehmen
müssen. Dies sei ein “gangbarer Weg, der allen Fraktionen
Zugeständnisse abverlangt”. So soll der momentan auf 709
Abgeordnete angewachsene Bundestag wieder verkleinert werden. Laut
Schäuble hätte der Bundestag auf Basis der Wahlergebnisse von 2017
mit seinem Modell nicht 709, sondern nur 641 Mitglieder gehabt.

Die
Vertreter der anderen Fraktionen hatten dem Vorschlag allerdings
schon eine Absage erteilt. Durch Schäubles Modell werde das Prinzip
verletzt, dass jede Stimme gleich viel wert sein müsse, sagte
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider. Es müsse
stattdessen weiterhin gelten, dass immer “aus einer
Stimmenmehrheit auch eine Parlamentsmehrheit folgt”. Die Parlamentarischen Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) und Stefan Müller (CSU) erklärten kritisierten,
der Vorschlag, die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren, würde “zu
einer größeren Distanz zwischen Abgeordneten und Bevölkerung
führen”. Britta Haßelmann von den Grünen hält die
vorgeschlagene Absenkung der Wahlkreis-Zahl hingegen für nicht ausreichend.
Wer am personalisierten Verhältniswahlrecht festhalten wolle, könne
nicht Nein zu einer deutlichen Wahlkreis-Reduzierung sagen.

Der
FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert sagte, der Vorschlag, 15
Überhangmandate nicht auszugleichen, komme einem “Bonus”
für die CDU/CSU gleich.

“Ein XXL-Bundestag muss passé sein”

Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt als ihnen nach den Zweitstimmen zustehen. Das traf in der Vergangenheit besonders auf die Union zu. Nach
Urteilen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013 müssen diese Überhangmandate zwingend durch Ausgleichsmandate für die anderen Fraktionen kompensiert werden. Denn nur die Zweitstimmenanteile dürfen über die Stärke der Fraktionen entscheiden.
Die Zahl der Bundestagssitze wird also so lange erhöht, bis das
Größenverhältnis der Fraktionen wieder dem Anteil der Parteien an
den Zweitstimmen entspricht. Das hat bei der Bundestagswahl 2017 mit
dazu geführt, dass es derzeit 709 Abgeordnete gibt – so viele wie
noch nie zuvor.

Regulär
sollen dem Bundestag eigentlich nur 598 Abgeordnete angehören. Die
stark erhöhte Größe des Bundestags nach der letzten Wahl führte
nicht nur zu einem Platzmangel in den Parlamentsgebäuden, sondern
auch zu erheblichen Mehrkosten. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) übte
deshalb massive Kritik an der verpassten Reform. Die Zeit für
parteitaktische Spielchen sei vorbei, warnte BdSt-Präsident
Reiner Holznagel “Ein XXL-Bundestag muss passé sein”, sagte
Holznagel.

Offen
blieb am Abend, wie es nun mit der Wahlrechtsreform weitergehen
soll. Schäuble bat die Fraktionsvorsitzenden in seinem Brief,
“zeitnah eine Verständigung und Entscheidung herbeizuführen”.
Alle Beteiligten versicherten ihre Bereitschaft zu weiteren
Gesprächen.

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