/Rechte Symbole: Heimatlose Hakenkreuze

Rechte Symbole: Heimatlose Hakenkreuze

Immer wenn man denkt, meine Güte, ist
jetzt mal gut mit “den Rechten nicht dieses überlassen” und nicht jenes
überlassen, wirft erneut jemand das Lasso aus, um einen Begriff oder ein Symbol
aus der Geiselhaft zu befreien.

Na gut, immerhin ein Fortschritt zu jener
Phase, als es darum ging, die Rechten zu “entlarven”. Dazu lauerte man mit
Nachtsichtgeräten und Bewegungsmeldern am politischen Rand, um den rhetorischen
Grenzübertritt melden zu können. “Sie
wollen Kinder an den Grenzen erschießen!!”, wurde dann mit freudiger
Erregung gemeldet. “Oh Gott, sie
wollen das Wort völkisch rehabilitieren!” – mancher Kommentatorensound
grenzte echt schon an Jubel. Verständlich. Freude, Adrenalin, Geilheit, es
liegt hormonell bedingt alles nah beieinander. Das Entlarven und Entzaubern
musste dann aber viele Rückschläge einstecken. Auf der Maus ausgerutscht, am
deutschen Vollkorn verschluckt, in der Fahne verheddert, wurde dann enttäuscht
korrigiert. Der Nazi habe sich auf Facebook erklärt, alles zurückgenommen,
falls ein falscher Eindruck entstanden sein soll, sorry, so sorry.

Nachdem man Rechte als Rechte erkannt hatte,
war der nächste Schritt, mit ihnen zu diskutieren. “Wir haben die
besseren Argumente”, so feuerten sich die Demokraten gegenseitig an. Mit Rechten reden hieß ein viel
beachtetes Buch, das in die Kunst “wenigerer schlecht zu streiten” einführte.
Argumentieren, widerlegen, nachhaken. Sich also richtig schön in die Themen der
Neuen Rechten verbeißen und allen Verführten nachweisen, dass es sich bei ihnen
um Verführte handelt. Das Buch ist nun schon fast zwei Jahre alt, und man fragt
sich, ob die Methode erfolgreich war, den Rechtsextremismus raffiniert und ästhetisch gekonnt  ihren Rechtsextremismus wegzulabern – auch in den Augen
der Autoren und all jener, die das Konzept damals verteidigten.

Jetzt also: “den Rechten nicht
überlassen”. Das Konzept ist einfach erklärt. Es geht darum, den Rechten ihre
Requisiten, die Worte und Handlungen wegzunehmen. Man muss sich das
wahrscheinlich so vorstellen, dass das hysterische Wedeln der deutschen Fahne,
das etwas zu laute Singen der Nationalhymne, das mantrische Verwenden von
“unserem deutschen Volk” herrenlos durch die Gegend stromern, und deshalb gilt,
das alles von der Straße zu holen.

Wie die “Ich auch”-Phase eines Zweijährigen

Der Grünenchef Robert Habeck sagte mal,
der Begriff “Nation” gehöre umkämpft und zurückerobert. Zurückerobern, hm. Mit
der Parlamentsarmee oder schon mit einer Sturmtruppe? Bewegt man sich hier
bereits im Bereich der rhetorischen Reconquista? Die Grünen stellten ihre
Sommerreise durch Deutschland deshalb unter das Motto “Des Glückes Unterpfand”,
bekanntlich diejenige Zeile der Nationalhymne, die am ehesten ans grüne
Kernthema anschlussfähig ist. Glück meint die Selbstverwirklichung des
Individuums und Unterpfand, ganz klar, eine Art Dosenpfand.

Auch der Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier reist
seit einigen Wochen mit seinem neuen Slogan rum:
“Schwarz-Rot-Gold, das sind unsere Farben! Überlassen wir sie niemals den
Verächtern der Freiheit.” Auch hier wieder die Hoffnung, wenn es die Richtigen
tun, werden es die Falschen bleiben lassen. Wenn Sozialdemokraten lange genug
die deutsche Fahne schwenken, dann werden Neonazis irgendwann kapieren, dass das
Schwenken von Schwarz-Rot-Gold den geforderten Mindestlohn von zwölf Euro
bedeutet, und dann werden sie, ja, was eigentlich? Dann werden sie wohl etwas
anderes hochhalten, sie bleiben aber noch autoritätssüchtige Bürger, die sich
nach einem starken Führer sehnen. Wenn man etwas gegen
Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und Hass auf
Flüchtlinge tun will, muss man politische Programme auffahren. Auf Symbole mit
Symbolhandlungen reagieren, das ist kein Konzept, sondern erinnert in
seiner Hilflosigkeit an die “Ich auch!”-Phase von Zweijährigen. 

Was bedeutet denn nun Heimat? Ist man sich
da langsam mal einig? Weiß Robert Habeck die Antwort? Horst Seehofer? Abgesehen
davon, wo würde man eigentlich aufhören, den Rechten etwas “wegzunehmen”?
Bis zu welchem Grad glaubt man, dabei gehen zu können? Würde man kinderreichen
Müttern Bugaboos aus Emaille an die Brust pinnen? Jetzt mal vom Ende her
gedacht, wie die Kanzlerin immer sagt: Ist es denkbar, ein für alle Mal die
kontaminierten Symbole und Wörter aus dem Nationalsozialismus zu bereinigen? Dann wären
auch die Missverständnisse, die den Politkommentatorenalltag ständig lahmlegen,
für immer behoben. Gerade erst wurde der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, in
die Mangel genommen, weil er irgendwo “Gleichschaltung” witterte. Oder man
denke an die “Konservative Revolution”, die der CSU-Politiker Alexander Dobrindt forderte. Sie besitzen am Ende nie das Nervenkostüm, die Wortwahl bis
zum Schluss beizubehalten, aber sie versuchen es doch immer wieder. Warum also
nicht gleich eine Stunde null für alle verdächtigen Wörter einführen.
Generalamnestie für alle Symbole. Wer künftig “entartet” sagt, meint das
Bienensterben.

Ab 5.45 Uhr wird zurückgepflanzt

Sollte das in diesem Tempo weitergehen,
machen sich die Nazis in Europa breit, und die anderen sind damit beschäftigt,
das Wörterbuch der Reaktionären, Nationalisten und Antidemokraten umzudeuten
und anzueignen, als seien Symbole Tragetüten. Als könne man einfach etwas
herausholen und etwas Neues reinstecken. Der Rechtsextremismus ist ein
ideologischer Raum, der sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelte. Er
funktioniert über Erzählungen, Literatur, Gedichte, Lieder, Biografien,
Erziehung, Erfahrung, Traumata, Ängste und Taten. Deshalb müssen sich
Rechtsextreme auch nie besonders anstrengen. Sie sagen das Wort, zeigen ein Symbol und rufen damit
sofort die Assoziation ab.

Die blaue Kornblume ist so ein Beispiel.
Rechtsextreme tragen neuerdings wieder die blaue Kornblume, in Anlehnung an
seine Bedeutung als Erkennungszeichen österreichischer Nationalsozialisten. Der
Antisemit Georg von Schönerer, ein Vorbild Hitlers, trug die Blume ebenfalls,
so wurde aus dem unschuldigen Korbblütler ein Nazisymbol. Nun stand in
der 
taz die Aufforderung
“Lasst uns blaue Blumen pflanzen”. Die Idee dahinter ist es, den
“Bedeutungskampf” um die politische Instrumentalisierung zu gewinnen.
Vereinnahmung von links oder so ähnlich. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, das
linke Wählerpotenzial dafür zu mobilisieren. Ab 5.45 Uhr wird zurückgepflanzt.
Und als Nächstes sich bitte das Hakenkreuz vorknöpfen. Die Swastika ist nämlich
ein hinduistisches Schutzsymbol. Bitte die Swastika an den Kreidefelsen und
jede deutsche Eiche hängen, den Rechten einfach keinen Millimeter
Deutungshoheit mehr überlassen. Und dann hoffen, dass alles ganz von allein
wieder demokratisch und friedlich wird.

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