/Grenze USA-Mexiko: Grenze dicht, Preise rauf

Grenze USA-Mexiko: Grenze dicht, Preise rauf

Sie haben Donald Trump gewarnt. Die Berater des US-Präsidenten haben ihm vorgerechnet, dass der Schaden für die amerikanische Wirtschaft katastrophal wäre, sollte er Ernst machen. Er ist dennoch bei seiner Drohung geblieben, die Grenze zu Mexiko zu schließen, als letztes Mittel gegen illegale Einwanderung und Schmuggel. Schon im vergangenen Jahr wollte Trump im Streit über die Finanzierung seiner Mauer mit einem solchen Szenario Druck aufbauen. Doch in diesen Tagen scheint er tatsächlich so weit zu sein: Noch diese Woche will er dicht machen, ganz oder “große Teile” der Grenze, wenn Mexiko nicht sämtliche Migration in den Norden stoppt – der Präsident hat dieses Ultimatum in den vergangenen Tagen mehrfach wiederholt. Aus dem Weißen Haus hieß es am Dienstag offiziell, eine mögliche Schließung werde geprüft, auch wenn es “nicht unsere erste Wahl” sei. Der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard glaubt nach Gesprächen mit US-Vertretern auch, die USA hätten “nicht die Absicht”, die Grenze zu schließen. Aber wie US-Medien berichten, haben Trump einige seiner Berater sogar zugeraten, trotz der ökonomischen Folgen. Ihr Argument: Ein so dramatischer Schritt bringe endlich die nötige Aufmerksamkeit für die Krise an der Grenze im Süden.


1.700.000.000 Dollar


Warenwert


umfasst der tägliche Handel zwischen den USA und Mexiko.

Die Schließung der Grenze wäre in der Tat ein drastischer Eingriff, die beiden Volkswirtschaften sind eng miteinander verflochten. Mexiko ist der drittgrößte Handelspartner der USA, nach China und Kanada. Die Vereinigten Staaten haben laut dem UN International Trade Center im Jahr 2018 Güter für fast 350 Milliarden Dollar aus Mexiko importiert, Waren im Wert von 265 Milliarden Dollar kamen aus Mexiko in die USA. Täglich werden zwischen den beiden Ländern im Schnitt Güter für rund 1,7 Milliarden Dollar gehandelt, schätzt die US-Handelskammer, sodass selbst kurze Störungen im Warenverkehr große Auswirkungen haben können – eine mögliche Schließung der Grenze nennt die Handelskammer deshalb ein “totales ökonomisches Debakel”.


120.000


Autos


werden im Schnitt jeden Tag allein am Grenzübergang San Ysidro zwischen den USA und Mexiko abgefertigt.

Um die Folgen selbst kurzfristiger Unterbrechungen einordnen zu können, hilft ein Blick auf den Grenzübergang San Ysidro bei San Diego auf der amerikanischen Seite und Tijuana in Mexiko: 120.000 Autos werden dort im Schnitt täglich abgefertigt, 6.000 Lkw liefern Waren in die eine oder andere Richtung, 63.000 Fußgänger überqueren die Grenze, viele sind Mexikaner, die in der US-Grenzregion arbeiten.

Im November 2018 schloss die US-Regierung diesen meistfrequentierten Übergang der westlichen Hemisphäre, nachdem es zu Ausschreitungen mit Migranten aus Mittelamerika gekommen war, die versucht hatten, gewaltsam über die Grenze in die USA zu gelangen. Fünf Stunden dauerte es, bis die Eskalation unter Kontrolle war und der Übergang wieder geöffnet wurde. Die Handelskammer von San Ysidro schätzt, dass der lokalen Wirtschaft in der US-Grenzregion allein durch diese kurze Sperrung rund 5,3 Millionen Dollar an Einnahmen verloren gingen.

Infografik: Wo die Grenze zwischen Mexiko und den USA verläuft

Auf 1.130 km Länge stehen Zäune oder andere Barrieren (rot eingefärbt)

Autos stauen sich am Grenzübergang in Tijuana

Es gibt 48 Grenz­übergänge zwischen den USA und Mexiko

Metallzaun an der Grenze in Nogales

Der natürliche Verlauf des Rio Grande bestimmt die Grenzlinie und erschwert eine lückenlose Überwachung

Grenzübergang in Laredo/Texas

Autos stauen sich am Grenzübergang in Tijuana

Auf knapp 1.130 km der Grenze stehen bereits Zäune oder andere Barrieren (rot eingefärbt)

Es gibt 48 Grenz­übergänge zwischen den USA und Mexiko

Metallzaun an der Grenze in Nogales

Der natürliche Verlauf des Rio Grande bestimmt die Grenzlinie und erschwert eine lückenlose Überwachung

Grenzübergang in Laredo/Texas


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Die US-Handelskammer geht davon aus, dass eine vollständige Schließung der Grenze zu Mexiko rund fünf Millionen Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten gefährden würde. Betroffen wäre nicht nur die lokale Wirtschaft, leiden würde eine Vielzahl von Unternehmen, die mexikanische Produkte importieren. Viele Hersteller verschiedenster Produkte in den USA haben integrierte Fertigungsketten aufgebaut, die stark von mexikanischer Zulieferung abhängen.

Als Beispiel nennt die Handelskammer vor allem die Autoindustrie, die Trump angeblich so am Herzen liegt. Demnach geht es der Branche durchaus gut, die Produktion habe sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, fast 50 Prozent mehr US-Bürger arbeiteten heute im Vergleich zu 2011 in den Fabriken. Der Erfolg beruhe aber zumindest zum Teil darauf, dass Teile und Produkte so leicht über die Grenze geschickt werden könnten. Mehr als ein Viertel des bilateralen Handels zwischen Mexiko und den USA entfällt auf die Automobilbranche, typische Komponenten wechseln das Land achtmal, bis sie endgültig verbaut werden.


Bis zu 1.000.000.000 Dollar


Einnahmen


könnten der US-Wirtschaft täglich verloren gehen, wenn die Grenze geschlossen wird.

Wie groß die Belastung für die US-Wirtschaft genau wäre, lässt sich schwer vorhersagen. Einen Hinweis auf die Dimension könnte eine Studie der University of Southern California von 2011 liefern. Die Forscher hatten damals die Auswirkungen einer kompletten Schließung aller Grenzen der USA simuliert. Alles dicht, für ein Jahr, damit wäre die Wirtschaftsleistung der USA fast halbiert. Das hilft kaum weiter, weil sehr viele Faktoren das Bruttoinlandsprodukt beeinflussen und eben nicht klar ist, wie weitreichend Trump seine Drohung der Grenzschließung umsetzen würde, wie lange sie aufrechterhalten würde und ob es flankierende Maßnahmen gäbe. Die Wissenschaftler kamen etwa auch zu dem Ergebnis: Blieben Ölimporte möglich und nähmen die US-Bürger sinkende Reallöhne in Kauf, läge der Verlust der Wirtschaftskraft eher bei 11 Prozent. Und wie gesagt: bei Schließung aller Grenzen für ein Jahr. Für eine vollständige Schließung der mexikanischen Grenze, wie Trump sie androht, rechnen Experten jedenfalls mit Hunderten Millionen Dollar, die täglich verloren gehen würden, vereinzelt ist von einer Milliarde Dollar jeden Tag die Rede.

Wie schnell die Probleme sichtbar werden, die jede Störung an der Grenze mit sich bringt, zeigt ein Blick zurück in das Jahr 2001. Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September schloss die US-Regierung die Grenzen im Norden und Süden zwar nicht komplett, führte aber zeitweise besonders strenge Kontrollen für alles und jeden ein. Schon nach einem Tag lagen die Wartezeiten für die in langen Schlangen aufgereihten Fahrzeuge bei mehr als 12 Stunden. Und innerhalb weniger Tage fehlten den großen Automobilkonzernen die normalerweise just in time gelieferten Teile. Die Schließung der Grenze würde sich sicherlich ebenso schnell und noch dazu nachhaltiger auf die Produktion auswirken.


Fast 50 Prozent


des importierten Gemüses


in den USA stammen aus Mexiko und 40 Prozent der Früchte.

Vor allem aber würden die Amerikaner nach einer Schließung der Grenze bald feststellen, dass etwas fehlt. Avocados zum Beispiel. Fast die Hälfte des importierten Gemüses in den USA stammt aus Mexiko und rund 40 Prozent der importierten Früchte. Was die Avocados angeht, dürften die Amerikaner derzeit sogar fast vollständig vom Nachbarland abhängen: Sie werden zwar auch in Kalifornien angebaut, dort sind sie zumeist aber erst in einigen Wochen reif und machen nur einen sehr kleinen Teil des Marktes aus. Auch Tomaten, Gurken und viele andere frische Produkte werden zum Großteil aus Mexiko eingeführt. Zwar gibt es Alternativen, aber auf den Import aus anderen Ländern umzustellen, dürfte nicht von heute auf morgen zu machen sein. In den amerikanischen Supermärkten müssen sich die Kunden deshalb auf steigende Preise einstellen.

Trotz all dieser zweifellos negativen Auswirkungen scheint eine Schließung der Grenze in diesen Tagen möglich. Trump ist bereit, zu harten Mitteln zu greifen, die seine Handlungsfähigkeit beweisen. Ob sie das gewünschte Ziel erreichen, ist eine andere Frage, womöglich sogar nebensächlich für den Präsidenten. Neben der Drohung gegenüber Mexiko hat er zuletzt auch angekündigt, die Hilfszahlungen an Guatemala, Honduras und El Salvador einzustellen. Damit schwächt er die Bekämpfung der Ursachen, wegen derer sich so viele Mittelamerikaner auf den Weg Richtung USA machen. Auf lange Sicht wird er so die Lage an der mexikanischen Grenze nicht entschärfen, ob sie nun offen bleibt oder nicht.

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