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DFB-Präsident: Ein Amt, fast so bedeutend wie Bundeskanzler

Geht der alte Chef, blicken Parteien, Gewerkschaften oder Verbände auf der Suche nach einem neuen in die zweite Reihe. Die des DFB ist nach Reinhard Grindels Rücktritt ziemlich leer. Der eine Vizepräsident, Rainer Koch, will nicht, würde wohl auch nicht vom Profiflügel akzeptiert werden. Der andere, Ronny Zimmermann, hat das China-Projekt des DFB in den Sand gesetzt und Ärger mit seiner Basis in Baden. Reinhard Rauball, der Vizechef der DFL, darf nicht, weil er zu alt ist.

Deshalb haben nun mehr oder weniger seriöse Spekulationen über Außenstehende begonnen, man liest vom ehemaligen Adidas-Chef Herbert Hainer, von Thomas de Maizière, dem Ex-Sportminister, oder Claudia Roth, der fußballaffinen Grünen. Die besten Außenseiterchancen hat Christoph Metzelder, der Ex-Profi und Vizeweltmeister von 2002. Vermutlich jedoch wird es ein anderer und wahrscheinlich wird der DFB noch eine Weile nach ihm oder ihr suchen.

Das war mal alles anders mit dem DFB und seinen Präsidenten. Als Hermann Neuberger 1992 starb, war Egidius Braun, der ihn beerbte, bereits in der internationalen Fußballpolitik angesehen. Ihm folgte 2001 Gerhard Mayer-Vorfelder, der zuvor jahrzehntelang Präsident des Bundesliga-Vereins VfB Stuttgart gewesen war. Ab 2004 führte Theo Zwanziger, der eine Karriere im Verband vorzuweisen hatte, mit Mayer-Vorfelder den DFB gemeinsam, ab 2006 allein. Als Zwanziger ging, war sofort klar, dass der Generalsekretär Wolfgang Niersbach als erster Kandidat gehandelt wird. 2015 musste Niersbach infolge des Sommermärchen-Skandals sein Amt räumen. Es blieb noch der CDU-Hinterbänkler Reinhard Grindel, die Notlösung inmitten einer der schwersten DFB-Krisen.

Schon damals war das Problem dasselbe wie heute, es fragten viele: Reinhard wer? Grindel war erst kurz zuvor Schatzmeister beim DFB geworden. Er kam ohne Meriten zur Präsidentschaft und wuchs auch nie mit dem Amt. Nachdem er wegen vieler kleiner und mittlerer Verfehlungen und Ausrutscher zum Abgang gedrängt wurde, wird erneut sichtbar: Der deutsche Fußball hat zu wenige Führungskräfte mit sportpolitischem Format. Dabei ist das Amt des DFB-Präsidenten eine sehr wichtige Aufgabe, und sie hat nicht nur mit Fußball zu tun.

Weltmeister dank Mayer-Vorfelder

Manche von Grindels Vorgängern haben etwas Gutes hinterlassen. Mayer-Vorfelder war zwar ein Rechtsausleger in der CDU, der als Kultusminister die Schulkinder Baden-Württembergs die erste Strophe der Deutschland-Hymne singen lassen wollte. Doch setzte er als Fußballfunktionär Anfang des neuen Jahrhunderts die große DFB-Nachwuchsreform durch, gegen große Widerstände übrigens. Er erkannte, dass der deutsche Fußball den Anschluss an die Weltspitze verpasst hatte. Also eröffnete der DFB fortan bundesweit Stützpunkte, betrieb Jugendbundesligen und verpflichtete die Bundesliga-Vereine, Leistungszentren zu unterhalten. Seitdem hat Deutschland die beste Fußballinfrastruktur der Welt. MV, wie er gerufen wurde, legte den Grundstein für den WM-Titel 2014, und noch immer hat kaum eine andere Nation mehr Talente als Deutschland.

Zwanziger, ein Mann vom gemäßigten CDU-Flügel. Er modernisierte den stockkonservativen DFB in gesellschaftlichen Fragen. Er gründete Initiativen gegen Homophobie, Antisemitismus sowie Rassismus, setzte sich für den Frauenfußball ein und ließ die Nazivergangenheit des DFB erforschen. Er mag sich in seinem Engagement hier und da verhoben haben, aber er hat die harte Männerbastion Fußball zu ihrem Vorteil ein wenig weicher gemacht. Unvergessen ist Zwanzigers einfühlsame Rede auf der Trauerfeier für Robert Enke, der an Depressionen gelitten und Suizid begangen hatte.

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