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Slowakei: Bürgerrechtlerin wird Präsidentin der Slowakei

Erstmals ist eine Frau an die Spitze eines mittelosteuropäischen Landes gewählt worden: Die liberale Umweltaktivistin Zuzana Čaputová wird Präsidentin der Slowakei. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen lag Čaputová mit 58 Prozent klar vor Maroš Šefčovič. EU-Kommissar Šefčovič kam nach Angaben des slowakischen Statistikamts auf knapp 42
Prozent.

Čaputová dankte den Wählerinnen und Wählern nicht nur auf Slowakisch, sondern auch in den Sprachen der ungarischen und der Roma-Minderheit für ihr Vertrauen, das sie als Signal für Veränderung wertete. “Ich bin glücklich nicht nur wegen des Ergebnisses, sondern vor allem weil es möglich ist, nicht dem Populismus nachzugeben, die Wahrheit zu sagen, seine Interessen ohne aggressives Auftreten deutlich zu machen”, sagte die 45-Jährige. Sie werde wie ihr Vorgänger Andrej Kiska eine “klar pro-europäische Position” vertreten. Kiska war nicht mehr angetreten. Das offizielle Endergebnis soll mittags bekannt gegeben werden.

Die Vize-Vorsitzende der erst 2017 gegründeten Partei Progressive Slowakei war als Außenseiterin angetreten, gewann jedoch schon die erste Runde der Präsidentschaftswahl vor zwei Wochen deutlich mit 41 Prozent. EU-Vizekommissionspräsident Šefčovič stellte sich offiziell als parteiloser Bewerber zur Wahl, wurde aber von der regierenden Smer-Partei unterstützt. Er holte in der ersten Runde nur 18 Prozent.

Čaputovás Erfolg hängt mit dem Mord an dem slowakischen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová vor einem Jahr zusammen. Zehntausende Slowaken protestierten damals gegen die Ermordung des Journalisten und seiner Partnerin. Kuciak hatte zu den Verbindungen der regierenden sozialistischen Smer-Partei zu mutmaßlich kriminellen Geschäftsleuten recherchiert. Sein unvollendeter Artikel wurde nach seinem Tod veröffentlicht und erschütterte das Vertrauen der Slowaken in ihre Regierung. Der regierende Ministerpräsident Robert Fico musste sein Amt niederlegen.

Protest für eine “anständige Slowakei”

Čaputová war Teil der Bewegung, die nach dem Doppelmord für eine “anständige Slowakei” protestierte. Anhänger der Protestbewegung überredeten die Rechtsanwältin zur Kandidatur. Seither hat sie einen ungewöhnlich schnellen politischen Aufstieg hingelegt. Bevor sie Mitglied der Partei Progressive Slowakei wurde, arbeite Čaputová 17 Jahre lang für eine Umweltorganisation. Erstmals einen Namen machte sie sich, als sie eine große Mülldeponie in Pezinok nordöstlich der Hauptstadt Bratislava verhinderte.

Formal fällt Čaputová keine große Macht zu, da der Präsident oder die Präsidentin in der Slowakei über wenige Kompetenzen verfügt. Dennoch wird Čaputovás Erfolg Symbolkraft zugeschrieben, da die Rechtsanwältin Positionen vertritt, die bisher in den meisten Staaten Osteuropas schwer mehrheitsfähig waren. Sie befürwortet mehr Umweltschutz, will die Korruption im Land bekämpfen und spricht sich für ein Recht auf Abtreibung aus.

Insgesamt waren mehr als 4,4 Millionen Stimmberechtigte zur Wahl ihres neuen Staatsoberhaupts für die nächsten fünf Jahre aufgerufen. Auch viele Slowakinnen und Slowaken, die in den österreichischen und ungarischen Nachbargemeinden der Hauptstadt Bratislava oder in Tschechien leben, fuhren eigens über die Grenze, um an der Wahl teilnehmen zu können, die nur im Inland möglich ist.

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