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Verfassungsschutz: Staatstrojaner für alle?

“Die SPD lehnt den Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium in Gänze ab”, schreibt Burkhard Lischka von der SPD und Mitglied des Innenausschuss per Mail auf Anfrage von ZEIT ONLINE. Das Papier gehe deutlich über das hinaus, was im Koalitionsvertrag vereinbart sei. “Von einer Stärkung der parlamentarischen Kontrolle ist hingegen keine Rede.”

Weitere Innenausschussmitglieder von anderen Parteien sehen es ähnlich. “Einem bürgerrechtlichen Offenbarungseid” würden die Pläne zum Ausbau der Befugnisse gleichkommen, teilte etwa Konstantin von Notz von den Grünen in einer Mail mit. Zwar bestünden gegen die Verfassungsmäßigkeit der Onlinedurchsuchung seit Jahren ganz erhebliche Bedenken, aber diese seien von den Befürwortern bis heute nicht ausgeräumt worden. “Während man bei den Jamaika-Sondierungen vereinbarte, die Eingriffsschwellen hochzusetzen, hört man hierzu aus den Reihen der Groko kein Wort mehr. Stattdessen soll der Einsatz dieser ohnehin hochumstrittenen Instrumente nun auf den Geheimdienstbereich ausgeweitet werden.”

Der Einsatz des Staatstrojaners soll vor allem möglich sein, wenn eine schwere staatsgefährdende Straftat vorliegt. “Dass der Entwurf diese Voraussetzung vorsieht, ist vor dem Hintergrund der in Deutschland wichtigen strikten Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten ein Problem”, schreibt Konstantin Kuhle von der FDP, “denn bei einem solchen Delikt müssten eigentlich Polizei und Gerichte tätig werden und nicht der Inlandsnachrichtendienst.” Die Ausweitung des Staatstrojaners auf den Inlandsnachrichtendienst berge also die Gefahr, dass die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten immer weiter verwässert werde, sagt der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Es falle schwer, einzeln aufzulisten, was an diesem Gesetzespaket zu kritisieren sei, sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken: “Das ganze Paket ist ein Katalog Orwellscher Fantasien.”

Auch die Pläne von Horst Seehofer, zukünftig Kinder in den Dateien des Verfassungsschutz zu erfassen, kritisieren SPD, Grüne und Linke. Was dazu im Entwurf stehe, sei rechtsstaatlich höchst fragwürdig, sagt etwa von Notz: “Kinder stehen aus gutem Grund unter besonderem verfassungsrechtlichen Schutz.” Auch Burkhard Lischke stellt klar: “Eine Überwachung von unter 14-jährigen Kindern wird es mit der SPD nicht geben.”

Konstantin Kuhle weist derweil daraufhin, dass eine Speicherung der Daten Minderjähriger nach Paragraf 11 des Bundesverfassungsschutzgesetzes bereits möglich ist – in den Dateien des Inlandsnachrichtendienstes bei Minderjährigen über 14 Jahren und lediglich in der jeweiligen Akte sogar bei Minderjährigen unter 14 Jahren. “Vor diesem Hintergrund schießt der Entwurf über das Ziel hinaus, wenn es eine generelle Speicherung von Minderjährigen erlauben will”, sagt Kuhle. Stattdessen müssten die Jugendämter gestärkt werden. Ähnlich sieht es Ulla Jelpke: “Sofern es sich um Kinder handelt, die von ihren Eltern ins Einflussgebiet des ‘Islamischen Staates’ gebracht worden waren, brauchen die womöglich sozialtherapeutische Unterstützung, aber ganz bestimmt keinen Aufpasser vom Geheimdienst.”

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