/Vatikan: Papst erlässt Regeln für Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch

Vatikan: Papst erlässt Regeln für Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch

Erstmals hat ein Papst umfassende Regeln für den Schutz von Kindern vor
sexuellem Missbrauch für den Vatikan aufgestellt. Darin legt Franziskus unter anderem fest, dass von Sommer an bereits der Verdacht auf Missbrauchsfälle unverzüglich
angezeigt werden muss. Zudem sollten verurteilte Täter von ihren Posten
entfernt werden. Der Vatikan
veröffentlichte insgesamt drei von Papst Franziskus
unterzeichnete Dokumente – einen Erlass, ein Gesetz und einen
Richtlinienkatalog.

Die Maßnahmen waren nach der
historischen Anti-Missbrauchskonferenz im Vatikan Ende Februar in
Aussicht gestellt worden und sollen am 1. Juni in Kraft treten. Auch
wenn die Regelungen nur den Kirchenstaat betreffen, sendet Franziskus
damit ein Signal – schließlich ist der Vatikan das Machtzentrum der
Kirche. Wegen schwerwiegender Missbrauchsskandale in mehreren Ländern
steht Papst Franziskus unter Druck, seinen klaren Worten auch Taten
folgen zu lassen.

“Wir haben alle (…) die Pflicht,
Minderjährige und schutzbedürftige Personen mit Selbstlosigkeit
aufzunehmen und für sie ein sicheres Umfeld zu schaffen”, erklärte das
Katholikenoberhaupt in dem päpstlichen Erlass (“Motu Proprio”). Der
Schutz von Kindern sei “wesentlicher Bestandteil” der Botschaft des
Evangeliums.

Sexueller Missbrauch durch Geistliche wurde in der
Vergangenheit in vielerlei Hinsicht und in vielen Ländern kleingeredet
oder vertuscht – auch in Deutschland. In einer von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen und im vergangenen Jahr
veröffentlichten Studie waren zahlreiche Missbrauchsfälle
dokumentiert worden.

Engere Beziehungen zu Kindern sind strengstens untersagt

Im Vatikan wird es künftig zur Pflicht,
schon den Verdacht auf Missbrauchsfälle unverzüglich anzuzeigen – mit
der Einschränkung, dass dabei das Beichtgeheimnis nicht verletzt werden
darf. Wird ein Verdachtsfall nicht sofort angezeigt, drohen Sanktionen.
Zudem sollen Personen, gegen die wegen Missbrauchsverdachts ermittelt
wird, von Kindern und Jugendlichen ferngehalten werden. Bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch oder auf die Misshandlung
von Kindern soll auch ohne Anzeige strafrechtlich ermittelt werden können.

Der
Pontifex will mit den neuen Regeln nach eigenem Bekunden dafür sorgen,
dass “bei allen” in der römischen Kurie und im Vatikan das Bewusstsein
für die Pflicht wachse, Missbrauch zu melden und mit den zuständigen
Behörden zu kooperieren. Der Papst machte deutlich, dass
Missbrauchsopfer und deren Angehörige Anspruch auf spirituelle,
medizinische, psychologische und juristische Hilfe hätten.

In
dem Richtlinienkatalog wird Priestern und anderen kirchlichen
Mitarbeitern im Vatikan, die mit Kindern zu tun haben, etwa
“strengstens untersagt”, eine besondere Beziehung zu einem einzelnen
Minderjährigen aufzubauen oder sich einem Kind in anstößiger Weise zu
nähern. Auch darf ein Kind demnach nicht aufgefordert werden, ein
Geheimnis für sich zu behalten. Zugleich darf ein Geistlicher ein Kind
nicht beschenken.  

Regeln gelten für vatikanische Staatsbürger

Vatikan-Mitarbeiter dürfen Kinder den Regeln nach nur fotografieren oder filmen und dieses Bildmaterial
im Internet veröffentlichen, wenn sie dafür ausdrücklich das
Einverständnis der Eltern haben. Es wird angemahnt, im Beisein von
Minderjährigen stets sichtbar für andere zu sein und deren Privatsphäre
zu respektieren. Ein Beauftragter für den Schutz von Minderjährigen soll
Sorge dafür tragen, dass diese Richtlinien auch befolgt werden. Er soll
darüber hinaus Ansprechpartner für die Opfer von Missbrauch sein.

Die
nun veröffentlichten Regeln gelten für alle, die die vatikanische
Staatsbürgerschaft oder im Kirchenstaat ihren Wohnsitz haben. Der
kleinste Staat der Welt hat um die 800 Einwohner – gut 300 davon sind
Diplomaten, die für den Vatikan in aller Welt im Einsatz sind.
Minderjährige hingegen sind kaum darunter. Doch das Gesetz kann den
Angaben zufolge auch auf Kinder angewendet werden, die sich regelmäßig
im Vatikan aufhalten, beispielsweise auf jene 35 Jungen zwischen 9 und
13 Jahren, die Teil des Chors der Sixtinischen Kapelle sind.

In Deutschland wird nach Angaben der katholischen Kirche seit 2010
automatisch bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch die
Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Anzeigepflicht entfalle nur, wenn
das Opfer dies ausdrücklich wünsche, heißt es. Als Konsequenz auf die im
September bekannt gewordenen Tausenden Missbrauchsfälle in den
vergangenen Jahrzehnten hatten die deutschen Bischöfe zuletzt zudem
beschlossen, neben der umstrittenen Verpflichtung der Priester zur
Ehelosigkeit (Zölibat) auch die äußerst konservative Sexualmoral der
Kirche zur Diskussion stellen zu wollen.

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