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Saudi-Arabien: Minimaler Erfolg bei maximalem Kollateralschaden

Waffen nach Saudi-Arabien liefern? Also
Rüstungsexporten zustimmen an ein autoritäres, menschenverachtendes Regime, das den Krieg im Jemen
gnadenlos anheizt und mitverantwortlich
ist für die laut Welthungerhilfe “größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit”?
Würde die Bundesregierung nur den gesunden Menschenverstand und ihre eigenen
Wähler befragen, dann wäre die Antwort ein klares: Nein! Doch da es ja auch
noch internationale Partner und heimische Arbeitsplätze gibt, werden die Dinge
komplizierter.

Erbittert streiten Union und SPD seit
Wochen darüber, ob der nach der spektakulären Ermordung des  Regierungskritikers Jamal Khashoggi von der großen Koalition verhängte Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien verlängert werden soll
oder nicht. Die Sozialdemokraten drängen auf sechs weitere Monate Exportverbot,
das eigentlich zum Monatsende ausläuft. CDU und CSU sind strikt dagegen.
Kanzlerin Angela Merkel möchte auf die Bündnispartner Frankreich und
Großbritannien zugehen, die hinter den Kulissen diskret, aber mit Macht ein Ende
der Sanktion fordern. Grund: Von dem Exportstopp sind europäische
Gemeinschaftsprojekte betroffen, also Waffen, deren Komponenten aus
verschiedenen Ländern stammen. Frankreich und Großbritannien sind wirtschaftlich deutlich
abhängiger von Rüstungsexporten als Deutschland. Beide, Franzosen wie Briten, werfen
der Bundesregierung – und insbesondere
der SPD – vor, den Export zu blockieren, um sich bei den Wählern
einzuschmeicheln und damit die gewünschte vertiefte europäische Zusammenarbeit
in Rüstungsfragen zu gefährden. Von Europa reden und Deutschland durchsetzen
wollen – das gehe nicht! 

Alle drei Parteien der großen Koalition sind gerade
dabei, sich in der Rüstungsdebatte massiv selbst zu beschädigen. Bei der SPD
resultiert der Schaden daraus, dass sie zwei komplett konträre Ziele
verfolgt und nicht bereit ist, eines der
beiden aufzugeben. Das erste, oft mit der Verve historischer Bedeutung
vorgetragene Ziel lautet: Europäisierung der Außen- und Sicherheitspolitik! Um
unabhängiger zu werden von den immer unzuverlässigeren USA des Präsidenten
Donald Trump. Um Europa als einen Spieler in einer Weltpolitik zu halten,
dessen Zentrum sich immer rascher nach China verlagert. Und um Geld zu sparen,
da eine immer engere Zusammenarbeit der europäischen Armeen und der jeweiligen
nationalen Rüstungsindustrien enorme Synergieeffekte verspricht.

Ein generelles Verbot ist nur national zu haben

Nur: Wer 28 Nationen zusammenbringen will, kann nicht verlangen, dass die übrigen 27 die Wertvorstellungen
und Traditionen der Deutschen übernehmen. Europäisch kann die Außen- und in
diesem Fall vor allem die Sicherheitspolitik nur werden, wenn sich die
unterschiedlichen Player aufeinander zubewegen. Den Export von
Gemeinschaftsprojekten zu genehmigen, in dem nur maximal 20 Prozent deutsche
Bauteile enthalten sind, wäre etwa ein Schritt in Richtung mehr Europa. Nur
ist die SPD (bisher) nicht bereit, ihn
zu gehen.

Hier stößt sich das erste Ziel mit dem
zweiten. Ein generelles Rüstungsexportverbot in Krisengebiete ist – in
Anbetracht der deutlich laxeren Richtlinien und der erheblich größeren
Bedeutung der Rüstungsindustrie andernorts – nur national zu haben. Aber
auch da geraten die Genossen unter Druck, und zwar aus den eigenen Reihen.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, eine der
letzten Hoffnungsträgerinnen der Partei, ist alles andere als begeistert, dass
der Exportstopp nach Saudi-Arabien jetzt bereits 300 Arbeitsplätze bei der
Lürssen-Werft in Wolgast gefährdet
.

Die SPD muss sich also entscheiden: entweder mehr Europa bei den Armeen – oder weniger Deutschland bei den
Waffenexporten. Beides wird nicht zu haben sein.

Hohles Geschwafel von der Wertegemeinschaft

Beschädigt die mangelnde Glaubwürdigkeit die
SPD in der Debatte, so tut sich die Union mit ihrer Tonlage einen Tort an. Man
mag es noch als skurril betrachten, wenn die an notorischer emotionaler
Unterzuckerung leidende Kanzlerin sich in ihrer jüngsten Regierungserklärung
ausgerechnet die in der Bevölkerung traditionell unbeliebten Rüstungsexporte
rauspickt, um sich öffentlich über ihren Koalitionspartner zu erregen.
Ärgerlicher wird die Sache schon, wenn nicht wenige Sicherheitsexperten von CDU
und CSU – wo kommen die übrigens alle plötzlich her? – wachsende Freude dabei
empfinden, die Moral in der Politik verächtlich zu machen.

Natürlich kann man aus einer moralischen
Grundüberzeugung heraus rigoros gegen Waffenexporte sein. Nicht nur gegen die
in Krisengebiete, sondern prinzipiell gegen alle. Wer das zum Anlass nimmt,
Häme und Spott über “selbst ernannte moralische Großmächte” auszuschütten,
eine “Moralkeule” zu geißeln oder das dämliche Gerede von den “Gutmenschen”
nachzuäffen, der entlarvt die hehren Worte von einer “wertegeleiteten Außen-
und Sicherheitspolitik” oder einer “Wertegemeinschaft Europa” als das, was es
angeblich doch nie sein will: als hohles Geschwafel. Die Politik leidet nicht
an einem Zuviel bei der Moral, sondern an einem Zuwenig. Allen Lobgesängen auf
den Pragmatismus zum Trotz.

Fasst man also das Dilemma der SPD und die
Überheblichkeit der Union zusammen, so stellt man fest: In der Debatte um die
Rüstungsexporte hat die Bundesregierung etwas hinbekommen, das man jeder Armee
der Welt um die Ohren hauen würde: minimaler Erfolg bei maximalem
Kollateralschaden.        

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