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Büroarbeit: Wer länger sitzt, ist früher tot

Ein
grüner Smoothie auf dem Schreibtisch, ein Fitnessarmband am
Handgelenk und eine Bildschirmbrille auf der Nase: Auch bei der
Arbeit achten viele Menschen auf ihre Gesundheit. Generation Y geht
sogar so weit, weniger Alkohol zu trinken als die davor
– der Produktivität zuliebe. Noch besser für die Gesundheit als
eine Portion Vitamine ist es allerdings, regelmäßig vom
Schreibtisch aufzustehen.

Die
Erkenntnis, dass langes Sitzen ungesund ist, ist nicht neu. Bereits
in den Fünfzigerjahren stellten Wissenschaftler fest, dass Londoner
Busfahrer, die berufsbedingt viel sitzen, ein doppelt so hohes
Herzinfarktrisiko
hatten wie ihre Schaffnerkollegen, die sich
während der Arbeit bewegen. Eine Metastudie der Universitäten Loughborough und Leicester
aus dem Jahre 2011 bestätigte anhand von 800.000 Fällen,
dass Menschen mit Sitzjobs sehr viel häufiger an
Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden
als Menschen in Berufen mit viel
Bewegung.

Ein
Jammer, dass es immer mehr Schreibtischjobs gibt: Zwischen
2006 und 2016 hat sich die Anzahl der Büroarbeitsplätze in
Deutschland um knapp 16 Prozent erhöht – auf 17,6 Millionen.
Der Digitalverband Bitcom geht sogar davon aus,
dass jeder zweite Berufstätige seinen Arbeitstag vor dem Computer
verbringt. Am häufigsten sitzen dieser Studie nach Angestellte in der Finanzbranche
(89 Prozent Computerarbeitsplätze) und bei Versicherungen (88 Prozent),
gefolgt von IT und Beratung mit 68 Prozent.

Vom Homo sapiens zum Homo sedens

Und
nach dem Feierabend sitzen wir weiter: Momentan verbringen Erwachsene
mehr als die Hälfte ihrer Wachzeit auf Stühlen, Sofas und Sesseln. Wir sitzen im Schnitt 9,3 Stunden am Tag, schlafen aber
nur 7,7 Stunden. Und das sind nur Durchschnittswerte. Wer mit Auto,
Bus oder Bahn zur Arbeit fährt, zwölf Stunden im Büro hockt und dann
noch zu Hause vor dem Fernseher herumhängt, kommt schnell auf 15
Stunden Sitzzeit oder mehr.

Das
Problem: Der menschliche Körper ist dafür nicht gebaut. Gehen, Laufen und Rennen waren die Hauptbeschäftigungen unserer Vorfahren. Sie
waren eigentlich immer auf den Beinen, um zu jagen, Früchte zu
sammeln oder um Acker und Vieh zu versorgen. Zwei Millionen Jahre
dauerte es, bis die menschliche Spezies, der Homo sapiens, ihren
heutigen Entwicklungsstand erreichte. Den Homo sedens, den
sitzenden Menschen, gibt es hingegen erst seit der industriellen
Revolution und der Erfindung neuer Fortbewegungsmittel, also seit
nicht einmal 300 Jahren. Auf die moderne Lebensweise konnte sich
unser Organismus in der kurzen Zeitspanne nicht einstellen.

Sobald wir uns hinsetzen, geht der Körper in
einen Stand-by-Modus über. Die elektrische Aktivität in den
Beinmuskeln schaltet sich ab. Fettverbrennende
Enzyme gehen zurück, der Blutzucker steigt und wir verbrauchen nur
noch eine (ja, eine!) Kalorie pro
Minute. Mit anderen Worten: Sitzen macht fett. Nach zwei Stunden in Sitzposition fällt das
“gute” Cholesterin, das die Blutgefäße vor Arteriosklerose
schützt, um 20 Prozent. 

Gefährliches Dauersitzen

Außerdem erhöht das Dauersitzen das
Risiko, vorzeitig zu sterben. Darauf weist eine Studie australischer Forscher hin. Über 220.000 Bewohner des Bundesstaates
New South Wales haben einen Fragebogen ausgefüllt, der unter anderem
danach fragte, wie viel sie saßen – drei Jahre später wurde erhoben, wer verstorben war. Das Ergebnis: Wer länger als elf Stunden
am Tag saß, hatte ein 40 Prozent höheres Sterberisiko als
jemand, der weniger als vier Stunden am Tag sitzend verbrachte.

Was lässt sich aber
dagegen tun, ohne gleich den Job wechseln zu müssen? Am
wichtigsten ist es, das Sitzen während der Arbeit so oft wie möglich
zu unterbrechen. Das Radeln ins Büro oder der Fitnessstudiobesuch
danach sind nicht genug, um die Gefahren des Dauersitzens
einzudämmen. Zwar stärkt eine halbe Stunde Sport am Tag die Fitness
und hilft gegen Übergewicht, nicht aber gegen die negativen Folgen
eines Sitzjobs. Das konnten Forscher der Universität von Queensland
in einer Metastudie nachweisen.

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