/McCann: Schwindel-Couture – brand eins online

McCann: Schwindel-Couture – brand eins online

Nur eine schöpfte Verdacht, die Journalistin Adriana Totorean. Sie schreibt für die Wochenzeitung »Bihoreanul Weekly« und ist mit den Verhältnissen in Beiuş gut vertraut. Die Frauen, die in der McCann-Kampagne zu sehen sind, „kenne ich und weiß, dass sie nie im Leben eine authentische Jacke oder Bluse geschneidert haben. Die eine ist Lehrerin, die andere hat einen kleinen Laden, wo sie billige Kleidung aus China verkauft. Sie können nur Perlenschmuck basteln“, sagt die 29-Jährige. „Im Film sitzen sie plötzlich inmitten herrlicher bestickter Trachten und behaupten, dass sie ihr ganzes Leben dem Handwerk aus Bihor gewidmet hätten.“

Adriana Totorean und Freunde von ihr bestellten die Cojocs und Blusen zum Test. „Keine Reaktion“, erzählt sie, „mir kam das komisch vor, also rief ich bei McCann an und fragte, wer die Bestellungen bearbeitet.“ Man habe sie abgewimmelt: „Angeblich wollten die Handwerkerinnen nicht mit mir reden. Ein Impressum sucht man auf der Website vergebens. Für mich ist die Website ein Hoax, ein genialer Schwindel, der der Agentur nützt und sonst niemandem.“

Eigentlich peinlich für eine der größten, international erfolgreichen Werbefirmen, die sich mit dem Slogan „Truth Well Told“, die „gut erzählte Wahrheit“, schmückt. In der Selbstdarstellung des Unternehmens heißt es: „Dieser Glaube liegt all unserer Arbeit zugrunde (…). Ideen, die aus Wahrheiten geboren werden, haben die Kraft, die Beziehung zwischen Menschen und Marken positiv zu beeinflussen, diese zu entwickeln und zu neuen Horizonten zu führen.“ Von Aldi bis zur Zurich Insurance Group, ihre Kunden schätzen die Dienste der traditionsreichen Agentur.

Ana Florea, 29, Kindergärtnerin in Beiuş, bemüht sich, das Marketingmärchen etwas stärker mit der Realität in Einklang zu bringen, die Wirklichkeit also entsprechend anzupassen.

„Wow, wir haben eine Internetseite!“, beschreibt sie ihre Reaktion auf Bihor Couture. Neben ihrem Beruf kümmert sie sich als Kontaktperson von McCann um die Bestellungen, die über die Website hereinkommen. Sie wirkt angestrengt. „Wir in Beiuş waren alle überrascht“, sagt sie. „Niemand hatte uns informiert oder gar gefragt, ob es hier noch traditionelle Handwerker gibt. Dann hat mich Cristian Tota vom Heimatmuseum angerufen, weil McCann Leute suchte, die die vielen Aufträge ausführen könnten. Dafür hatten sie im Museum gefragt, von dort kommt ja die historische Kleidung, die wir hier angeblich schneidern können.“

Ana Florea kennt jede und jeden in der Gegend, die etwas mit Volkskultur zu tun haben. Immer wieder ist sie mit ihrer Mutter in Beiuș und Umgebung unterwegs, um die in der Ceaucescu-Diktatur als wertlos und reaktionär gebrandmarkten Trachten und Möbelstücke vor dem Sperrmüll zu retten. Jetzt versammelt sie einmal in der Woche Frauen, die bei Bihor Couture mitwirken möchten, im Kulturzentrum. Die Leute aus Bihor wollen nun versuchen, den Wirbel auszunutzen und die Kleider, die es nicht gibt, tatsächlich zu nähen.

„Ich bin Köchin, und ich kann alles lernen!“, sagt strahlend eine ältere Dame und schaut erwartungsvoll. „Egal was!“ Zwei Frauen vergleichen das schon gestickte Blumenmuster einer angefangenen Jacke mit den Bildern von dem Cojoc aus dem Museum, eine junge Frau sieht sich etwas unsicher das Bild einer aufwendigen Stickerei auf einer Schürze an. Und nickt tapfer. Vielleicht gelingt ihr mit sehr viel Geduld und Genauigkeit das diffizile Muster.

Hits: 37