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Martin Dulig: Der Mann vom Küchentisch

Martin Dulig ist ins Wasser gefallen. Mit den Armen hält er sich am
Schlauchboot fest, mit den Beinen macht er Wellen, jemand wird ihn wieder hineinziehen müssen,
damit das hier nicht peinlich endet.

Muss man sich Sorgen machen um Sachsens SPD-Chef, Vize-Ministerpräsidenten und
Wirtschaftsminister?

Nein, nicht in diesem Moment. Petra Köpping nimmt sich seiner an, Parteifreundin und
sächsische Integrationsministerin, mit einem kräftigen Ruck zieht sie Dulig an diesem
Sommertag des Jahres 2018 zurück ins Innere. Und beide strahlen, als hätten sie gerade noch
mal die Zukunft der SPD gerettet.

Dieser Termin ist einer, wie man ihn öfter mit Martin Dulig erleben kann. Vielleicht ist es
einer jener Termine, die Politiker eben machen und in die man nicht zu viel
hineininterpretieren sollte: ein Wirtschaftsminister, der mit einer Entourage aus
Mitarbeitern, Bürgermeistern und anderen Funktionsträgern den Wildwasserkanal von Markkleeberg
bei Leipzig besucht, um ein bisschen Werbung zu machen – für den Wildwasserkanal. Und für sich
selbst. Ein großer Spaß.

Aber wird aus besonders viel Spaß nicht irgendwann Ernst – wenn nämlich nur wenige
mitlachen?

Manche Parteifreunde sagen, hinter vorgehaltener Hand: Es werde langsam ein bisschen
peinlich, was ihr Martin da veranstalte. Oder, um es in der Sprache einer
Schlauchboot-Besatzung zu sagen: Da rudert einer, macht ständig Welle. Und kommt irgendwie
doch nicht richtig vorwärts.

Martin Dulig, 45, das ist jener Politiker, der einmal als Wunderkind der ostdeutschen SPD
galt, als eine der größten Hoffnungen seiner Partei. Mit ungewöhnlichen Aktionen macht er von
sich reden. Mal schleicht er durch die Lausitz auf den Spuren der Wölfe. Mal fährt er mit
seinem eigenen Küchentisch durch die Provinz und veranstaltet daran Diskussionsrunden. Dann
wieder verkleidet er sich als Pflegekraft, um für einen Tag in das Leben eines Arbeitnehmers
“hineinzuschnuppern”. Diese Aktion, die er “Deine Arbeit, meine Arbeit” nennt, ist Duligs
selbst ernanntes Lieblingsprojekt: Als Undercover-Hilfskraft arbeitete er auch schon auf einem
Flughafen oder in einem Reinigungsbetrieb, die Fotos der Aktionen werden auf seinem
Facebook-Account verbreitet.

Doch so gut diese Ausflüge ins wahre Leben gemeint und gedacht sind – es beschleicht einen
beim Betrachten der sorgsam gepflegten Fotostrecken der Eindruck: In erster Linie sind sie
wohl dafür da, gesehen zu werden.

Einen neuen Höhepunkt erreichte die Selbstvermarktung vor zwei Wochen: Da ließ die sächsische
SPD sogenannte Gif-Bilder von Dulig verbreiten, kleine animierte Grafiken, in denen der
Parteichef grinst, den Daumen reckt, aus der Versenkung auftaucht oder mit den Augenbrauen
zuckt. Es soll lustig aussehen, Nutzer sollen die Grafiken in den sozialen Netzwerken statt
Smileys verwenden. Das alles ließe sich als Erfolgsstrategie verkaufen, als originelle
Herangehensweise – wenn es um die Umfragewerte der sächsischen SPD nicht stünde, wie es steht:
Sie stagnieren – positiv formuliert. Bei zehn Prozent lag die Partei zuletzt. Mehr als zwölf
Prozent prognostiziert ihr seit anderthalb Jahren kein einziges Institut mehr.

Dabei war es Duligs Plan, die SPD in Sachsen zur Volkspartei zu machen. “Gebt mir zehn Jahre
Zeit”, hatte er gesagt, als er Parteichef geworden war. Das ist jetzt genau: zehn Jahre her.
2009 war die SPD mit nur 10,4 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl regelrecht abgestraft
worden. Trotzdem erklärte Dulig beim darauf folgenden Landtagswahlkampf von 2014: “Ja, ich
will Ministerpräsident werden! Aber ich habe noch Zeit.” Er wollte langsam, aber stringent die
Partei neu aufbauen – und dann schauen, was so geht. Es reichte 2014 für 12,4 Prozent.

Und heute? Im September wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Schon jetzt ist klar, dass
die SPD dann vom Ministerpräsidentenposten weiter entfernt sein wird als Wladimir Putin vom
Friedensnobelpreis. Die Parteien, von denen absehbar ist, dass sie den Wahlkampf prägen
dürften, sind die CDU, die AfD, vielleicht die Grünen. Aber Martin Dulig und die SPD? Werden
es schwer haben, überhaupt gehört zu werden. Desillusioniert ihn das nicht?

Fragt man Dulig, sagt er: “Ich habe gesagt, dass ich einmal Ministerpräsident werden möchte.
Das möchte ich nach wie vor.” Er sagt das gut gelaunt, ohne eine Spur von Enttäuschung in der
Stimme. “Ich glaube auch, dass ich der bessere Ministerpräsident für Sachsen wäre.” Natürlich,
ergänzt er, brauche man auch einen realistischen Blick, ein realistisches Ziel. Seines laute
daher: Er wolle in Sachsen weiter mitregieren.

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