/Rechtspopulismus: “Ich möchte den Christen in der AfD sehr scharf ins Gewissen reden”

Rechtspopulismus: “Ich möchte den Christen in der AfD sehr scharf ins Gewissen reden”

Rechtspopulismus: Die AfD gibt sich gerne als Verteidigerin des christlichen Abendlandes.

Die AfD gibt sich gerne als Verteidigerin des christlichen Abendlandes.
© William Minke/Ostkreuz

Frage:
Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz will verhindern, dass
Personen, die zu weit rechts stehen, kirchliche Gemeindeämter erhalten. Führen Sie eine
Gesinnungsprüfung ein?

Markus Dröge:
Natürlich nicht. Das ist ein übliches Verfahren. Es besteht die Pflicht, bei einer
Gemeindekirchenratswahl die Listen zu überprüfen, ob dort jemand eingetragen wird, der nicht
den Kriterien der Grundordnung unserer Kirche entspricht.

Frage:
Sie haben aber die Handreichung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische
Oberlausitz nun noch einmal nachjustiert. Warum?

Dröge:
Im Jahr 2013 ist die Grundordnung durch die sogenannte Extremismus-Klausel ergänzt worden.
Im Artikel 19 steht, dass niemand ein Kirchenamt übernehmen kann, der in einer Gruppierung,
Organisation oder Partei Mitglied ist oder sie unterstützt, die menschenfeindliche Ziele
verfolgt. Bereits 2016 haben wir die Handreichung herausgegeben.

Frage:
Was war der konkrete Anlass für die aktuelle Nachjustierung?

Dröge:
Wir haben in unserer Gesellschaft rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppen, die mit
menschenfeindlichen Parolen auftreten. Das zwang uns dazu, klarer zu definieren, was
menschenfeindlich überhaupt ist.

Frage:
Wie genau definieren Sie “menschenfeindlich”?

Dröge:
Der Begriff ist im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz definiert. Dort steht: Als
menschenfeindlich gelten Worte oder Taten, die Menschen oder Menschengruppen aus Gründen der
Rasse, der ethnischen Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, einer Behinderung, des
Alters oder sexueller Identität herabwürdigen oder diffamieren. Weil wir viele Anfragen aus
den Gemeinden bekamen, haben wir die Maßstäbe noch einmal verdeutlicht.

Frage:
Gibt es denn überhaupt so viele Rechte, die ein Gemeindeamt in der Kirche wollen?

Dröge:
Natürlich kann es Sympathisanten von menschenfeindlichen Positionen auch in unseren Reihen
geben. Darauf müssen wir uns einstellen. Wir haben in Brandenburg und der schlesischen
Oberlausitz Gebiete, wo 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung AfD wählen.


© Action Press

Frage:
Warum werden keine linksextremen Positionen in dieser Handreichung aufgeführt?

Dröge:
Selbstverständlich gelten unsere Kriterien für alle politischen Gruppierungen. Nur gibt es
real im Moment keine Hinweise aus den Gemeinden, dass Linksextreme sich auf unsere
Kirchenarbeit fokussieren. Gegenüber rechts bestehen mehr Bedenken.

Frage:
Geben Sie uns bitte ein Beispiel …

Dröge:
In meiner Bischofskirche, St. Marien am Berliner Alexanderplatz, gibt es ein Mitglied, das
tief in der AfD verankert ist. Er ist nicht ausgeschlossen worden, aber der
Kirchengemeinderat hat sich mit seinen Positionen auseinandergesetzt und geprüft, ob der
sich menschenfeindlich geäußert hat.

Frage:
Wie wird denn das Prüfungsverfahren in der Praxis vor der Wahl durchgeführt?

Dröge:
Jeder einzelne Gemeindekirchenrat hat gemäß der Grundordnung unserer Kirche die Wahlliste
zu prüfen. Wenn er sagt, dass eine Person nicht geeignet ist, hat der Betroffene das Recht,
vor dem Kirchengericht zu klagen. Die Gemeinden sollen von uns beraten werden, damit sie
nicht leichtfertig solche Entscheidungen treffen. Für den Zweifelsfall haben wir in der EKBO
einen Beauftragten zum Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bestellt. Das
Entscheidungsgremium bleibt der Gemeindekirchenrat.

Frage:
Sie haben 2016 den Beschluss gefasst, dass eine AfD-Mitgliedschaft allein noch kein
Ausschlusskriterium ist.

Dröge:
Obwohl die Partei sich seitdem radikalisiert hat, gilt dies auch weiter. Für die
Landtagswahl in Brandenburg haben viele gemäßigte Kandidaten gar keinen Listenplatz
erhalten. Die rechten Flügel der AfD sind sehr stark, die Grenzen zur Mitte
verschwimmen.

Frage:
Bei ihrer Einteilung rechter Gruppierungen hat Ihre Landeskirche dagegen klare Linien
gezogen …

Dröge:
Für die Reichsbürger, die Identitären und den “III. Weg” ist eine Wahl in unsere Gremien
ausgeschlossen.

Frage:
Warum nicht auch für die AfD?

Dröge:
Juristisch lässt sich eine Partei nur nach ihrem veröffentlichten Programm beurteilen. Das
AfD-Programm gibt nichts her, was man als menschenfeindlich auslegen könnte. Wir dürfen also
niemanden wegen einer bloßen Mitgliedschaft oder Unterstützung ausschließen. Es sei denn,
jemand äußert sich persönlich menschenverachtend.

Frage:
Sollte die Kirche nicht auch Seelsorger für Menschen sein, die ihrer Meinung nach vom Weg
abgekommen sind?

Dröge:
Natürlich. In der evangelischen Ethik unterscheiden wir zwischen Person und Werk. Wir
können uns mit einem Menschen kritisch auseinandersetzen und seine Meinung mithilfe einer
theologischen Begründung scharf angreifen und zu widerlegen versuchen. Damit lehne ich diese
Person aber nicht als Menschen ab. Aber in der Sache müssen wir zu unserem christlichen
Verständnis stehen. Unsere Position gegen Menschenfeindlichkeit ist gesetzt.

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