/Pränataldiagnostik: Macht aus dem Down-Syndrom keine so große Sache

Pränataldiagnostik: Macht aus dem Down-Syndrom keine so große Sache

Hier schreibt der Vater eines Kindes mit Down-Syndrom. Er ist Mitarbeiter bei ZEIT ONLINE und sagt: “Meine Frau
und ich stehen zu unserem Sohn und gehen offen mit dem Down-Syndrom um.
Da wir aber nicht einschätzen können, ob er sich später selbst
im Netz finden möchte und ob es in seinem Interesse sein wird, mit
diesem Artikel in Verbindung gebracht zu werden, haben wir uns für eine
Anonymisierung entschieden.”

Eltern von Kindern mit Trisomie 21 bekommen “lebenslänglich”. So formulierte es mein Hausarzt, nachdem ich ihm von der Diagnose meines damals noch ungeborenen Sohnes berichtete. Er sagte, als sich bei ihm Nachwuchs angekündigt hatte, sei es seine größte Sorge gewesen, das eigene Kind könnte das Down-Syndrom haben. Damit war mein Hausarzt einer von mehreren Medizinern, die statt hilfreichen Informationen abschreckende Pauschalurteile parat hatten. Statt uns wie zuvor auf unser körperlich gesundes Kind zu freuen, verstärkten sich wegen der wertenden Äußerungen unsere Zweifel und Ängste. Warum wir? Wie konnte uns das passieren? Was bedeutet das für unser Leben?

Pränataldiagnostikerinnen, Ärzte oder Hebammen sind die ersten Kontaktpersonen, wenn werdende Eltern für ihr Ungeborenes die Diagnose Trisomie 21 bekommen. Das macht diese zunächst Fremden zu engen Vertrauenspersonen. Sie sollten entsprechend ehrlich und offen informieren, aber ohne zu werten.

In unserem Fall handelten die medizinischen Experten wahrscheinlich in bester Absicht. Doch sie waren weder neutral noch bestärkten sie uns in der Entscheidung für unser Kind – im Gegenteil. Da gab es gleich zu Beginn der Schwangerschaft den Gynäkologen, der sich mit den Worten “Ich kann da als Mediziner schließlich nicht wegschauen” über unser Recht auf Nichtwissen und den ausdrücklichen Wunsch gegen die Vermessung der Nackenfalte hinwegsetzte. Es gab die Pränataldiagnostikerin, die ungefragt die Möglichkeit des Spätabbruchs ins Spiel brachte. Oder unsere Hebamme, die von unserer Entscheidung für das Kind überrascht war und von der wir mit dem Ratschlag vor den Kopf gestoßen wurden: “Sucht euch gleich einen guten Zahnarzt, falls dieses Kind überhaupt Zähne bekommt.”

Trisomie 21 – Kurz erklärt: Wie kommt es zum Down-Syndrom?
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Seit 2012 gibt es in Deutschland neben der invasiven Fruchtwasseruntersuchung die bei der Durchführung für Mutter und Kind risikolosen Verfahren der nicht invasiven Pränataldiagnostik. Noch zielen diese Bluttests hauptsächlich auf die Früherkennung von Trisomien ab, schon jetzt aber arbeiten Wissenschaftlerinnen und Forscher daran, mehr aus den im Blut enthaltenen DNA-Schnipseln zu lesen.

Deshalb muss auch aus ethischer Sicht darüber diskutiert werden, ob der Bluttest für Risikoschwangere künftig kostenlos sein soll. Mit der Kostenübernahme werden Ärztinnen und werdende Eltern ihn häufiger nutzen und damit genetische Besonderheiten öfter erkennen. Ob der Bluttest tatsächlich zu mehr Schwangerschaftsabbrüchen führen wird, kann in Deutschland mangels Datenerhebung nicht festgestellt werden. Eine vermeintlich risikolose – weil sichere und genaue – Untersuchung kann zum Todesurteil für ungeborene Kinder werden.

Die schon jetzt herausragende Rolle von Medizinerinnen und Medizinern wird damit noch verantwortungsvoller. Daher sollten sie auf dem neuesten Stand sein, was die Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen mit Down-Syndrom betrifft, und Möglichkeiten aufzeigen, statt von eigenen Ängsten, Spätabbrüchen oder mangelnden Chancen zu sprechen. Schon die Wortwahl “Gendefekt” halten wir für problematisch, Trisomie 21 ist vielmehr eine Laune der Natur.

Sicher, Pränataldiagnostiker, Ärzte und Hebammen sind keine Psychologen. Es ist nachvollziehbar, dass sie bei der Beratung eine medizinische Perspektive einnehmen. Meine Partnerin und ich verstehen auch, dass mancher es vermutlich als Problem sieht, nichts an einer Trisomie verändern zu können. Aber darum geht es nicht: Ansprechpartner sollen informieren und werdende Eltern nicht unnötig durch Pauschalurteile verunsichern.

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