/Gazastreifen: Zu verzweifelt, um Angst zu haben

Gazastreifen: Zu verzweifelt, um Angst zu haben

Die Revolte der Hungrigen – so nannten die Demonstranten in Gaza ihren Aufstand vergangene Woche, einen Protest, der an den Arabischen Frühling erinnern ließ. Die Revolte richtete sich nicht gegen Israel, den Erzfeind, der zwar einen täglichen Konvoi mit Lebensmitteln hineinlässt, ansonsten aber den Gazastreifen hermetisch abriegelt. Er richtete sich nicht gegen Ägypten, das seine Grenze zu Gaza überwiegend geschlossen hält. Er richtete sich nicht einmal gegen die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Präsident Mahmud Abbas, die mit allen Mitteln gegen den islamistischen Rivalen kämpft.

Die Revolte der Hungrigen war ein Aufstand gegen die radikalislamische Hamas, die die Menschen in Gaza in erster Linie verantwortlich machen für ihre Lebenssituation. Denn seit sich die Hamas 2007 in Gaza an die Macht putschte und die Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Abbas von dort vertrieben hatte, geht es wirtschaftlich abwärts. Drei Kriege mit Israel, geschlossene Grenzen, keine Jobs – die Menschen in Gaza wissen, dass letztlich ihre Führung für all das verantwortlich ist: mit ihrer Verweigerung, sich mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zu verständigen oder ganz zu versöhnen, mit ihren unnützen Raketenangriffen und Kriegen gegen Israel, vor allem aber mit ihrer Unbedingtheit, ihre Herrschaft im Gazastreifen mit allen Mitteln zu verteidigen und iranische Gelder nur für Waffen auszugeben.

Die Szenen in den Straßen von Gaza waren schrecklich. Die Sicherheitskräfte der Hamas gingen gegen das eigene Volk mit größter Brutalität vor, mit Knüppeln wurden die Knochen der Menschen zertrümmert, Hunderte, darunter viele Journalisten, wurden verhaftet und misshandelt. Organisationen wie die Unabhängige Palästinensische Menschenrechtskommission oder das Al-Mesan-Zentrum für Menschenrechte versuchten, die Vorgänge zu dokumentieren, und wurden ebenfalls angegriffen, Kameras und Handys beschlagnahmt. Doch in den heutigen Zeiten schafft es kein Regime mehr, Bilder und Videos völlig zu verhindern, die Außenwelt sah sehr wohl, wie die Hamas gegen ihre Bevölkerung vorging.

Aus Helden wurden Hunde und Verräter

Der Protest ist ein Protest der jungen Menschen, die nicht mehr weiter wissen. Die Grausamkeit, mit der die Hamas-Polizei gegen sie auftrat, war für die meisten ein Schock. Zunehmend wird den Palästinensern bewusst, dass sie nur Verschiebemasse für die Hamas sind, dass es den Islamisten nicht um ihre Bevölkerung geht, sondern ausschließlich um den eigenen Machterhalt. Dieselben Jugendlichen, die von der Hamas als “Helden” gepriesen werden, wenn sie am Grenzzaun zu Israel jeden Freitag zum “Großen Marsch der Rückkehr” kommen und gegen Israel demonstrieren, wurden nun als “Hunde” und “Verräter” beschimpft. Es sind dieselben Jugendlichen, die bei ihren Versuchen, den israelischen Grenzzaun einzureißen oder Brandbomben zu werfen, vom israelischen Militär beschossen und getötet und dann von der Hamas als “Märtyrer” gefeiert werden. Nun aber, da sich ihre Wut gegen die Machthaber in Gaza richtet, sind sie nichts mehr wert.

Dass sich die wirtschaftliche Lage im Gazastreifen vor allem in jüngster Zeit so rapide verschlechterte, hat vor allem mit der Politik der PA in Ramallah zu tun. Mahmud Abbas, der zunehmend erratische und altersstarre Präsident der Palästinenser, kämpft schon lange gegen die Hamas mit der Zurückhaltung finanzieller Mittel für Gaza. Abbas informierte bereits vor Monaten Jerusalem, die PA werde die Kosten für den Strom, den Israel nach Gaza liefert, nicht mehr übernehmen. Seitdem hat der Gazastreifen maximal vier Stunden Strom pro Tag zur Verfügung.

Ebenso überwies die PA die Gehälter nicht mehr an die Beamten in Gaza, Tausende Familien warteten seit Wochen auf das Geld. Und so ging und geht es immer weiter.

Die israelischen Sicherheitsorgane warnten die Regierung in Jerusalem, ein Kollaps in Gaza könne zu Unruhen oder gar einem neuen Waffengang mit der Hamas führen. Premier Benjamin Netanjahu reagierte. Nachdem Katar sich bereit erklärte, die Hamas mit Geld zu versorgen, ließ Netanjahu – unter lautem Protest seiner ultrarechten Koalitionspartner – einen katarischen Gesandten mit 15 Millionen Dollar in Geldkoffern nach Gaza einreisen. Auch die UN half, frisches Geld nach Gaza zu bringen.

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