/Trisomie 21: “Der Bluttest als Kassenleistung? Das ist ein Spagat”

Trisomie 21: “Der Bluttest als Kassenleistung? Das ist ein Spagat”

Zahlen Krankenkassen Risikoschwangeren künftig den Bluttest auf das Down-Syndrom? Entscheiden muss darüber der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen, der nun ein letztes Mal drüber debattiert. Im Spätsommer will er entscheiden, voraussichtlich zugunsten des Tests. ZEIT ONLINE widmet der Pränataldiagnostik den Schwerpunkt: “Wird der Bluttest zum Down-Syndrom zur Kassenleistung?” Entdeckt ein solcher Test tatsächlich eine Behinderung am Ungeborenen, stehen werdende Mütter vor einer schweren Entscheidung. Die Psychologin Marina Knopf berät in Hamburg seit Jahren Schwangere in so einer Situation.

ZEIT ONLINE: Frau Knopf, Sie beraten unter anderem schwangere Frauen, die vor der Entscheidung stehen, eine Schwangerschaft etwa wegen der Diagnose Trisomie 21 abbrechen zu lassen. Können Sie beschreiben, wie Menschen mit einer solchen Entscheidung klarkommen?

Marina Knopf: Die Bandbreite ist sehr groß. An dem einen Ende gibt es Frauen und Paare, die sehr klar sind. Sie sagen: Es kommt für uns nicht infrage, ein behindertes Kind zu haben. Je früher der Abbruch stattfinden kann, desto besser ist es für sie. Natürlich sind auch sie traurig, aber die Entscheidung ist für sie moralisch nicht problematisch. Am anderen Ende finden sich Frauen, die sehr lange darunter leiden.

ZEIT ONLINE: Wie äußert sich das Leid?

Spätabbruch: Marina Knopf ist Psychologin. Sie berät seit 28 Jahren Schwangere in Not im Familienplanungszentrum in Hamburg-Altona.

Marina Knopf ist Psychologin. Sie berät seit 28 Jahren Schwangere in Not im Familienplanungszentrum in Hamburg-Altona.
© Parvin Sadigh

Knopf: In Schuldgefühlen oder starker Trauer. Manchmal kommen beide Gefühle zusammen, aber nicht immer. Denn das Schuldgefühl kann die Trauer sogar verhindern und damit auch die Verarbeitung. Viele von denen, die sich schuldig fühlen, leiden besonders lange, weil sie gegen ethische Regeln verstoßen, an die sie glauben. Das sind oft religiöse Menschen.

Es gibt aber auch Frauen, die sich gar nicht schuldig fühlen, die dann ihr Kind aber dennoch sehr lange vermissen. Sie haben schon in der Schwangerschaft eine starke Bindung aufgebaut. Vor allem wenn die Paare ambivalent sind, können wir Beraterinnen oft nicht gut voraussagen, ob sie einen Abbruch stark belasten wird oder nicht.

ZEIT ONLINE: Sie beschreiben jetzt nur die Gefühle der Menschen, die sich für einen Abbruch entscheiden. Warum?

Knopf: Nach unserer Erfahrung beenden die allermeisten Paare eine Schwangerschaft, die die Diagnose Trisomie 21 oder gar Trisomie 13 oder 18 erhalten. Die meisten Menschen, die heute noch ein Kind mit Down-Syndrom bekommen, wussten in der Schwangerschaft noch nichts davon.

ZEIT ONLINE: Wie begründen die Menschen ihre Entscheidung?

Knopf: Auch hier geht es weit auseinander. Manche stehen unter Druck, sie glauben, dass die Familie oder Gesellschaft einen Abbruch von ihnen verlangt. Bei anderen ist es genau umgekehrt. Sie sind sich sicher, dass es für sie die richtige Entscheidung ist, fürchten aber, die Familie würde sie verurteilen.

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