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Party: So sind Sie der perfekte Gast

Ist es nicht so, dass wir alle eitel sind? Und ist es nicht auch so, dass wir das kaum jemals zugeben? Wir haben unsere Egos dressiert, weil wir keine Angeber und Schaumschläger sein wollen. Insgeheim aber warten wir nur auf die nächste Mein-Haus-Auto-Verstand-Gelegenheit, da wir unsere akkumulierte Lebensleistung auf den Tisch knallen können, ohne uns lächerlich zu machen. Die idealtypische Veranstaltung dafür ist die Party. Der Kulturhistoriker Bodo Mrozek bezeichnet sie als das Freizeitleitbild der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ein gern gesehener Partygast zu sein, ist also keineswegs trivial. Es ist symbolisches Kapital im Sinne Bordieus, ein “gelungen”-Gütesiegel, das wir unserer Existenz aufkleben können. Nur, wie macht man das, ein guter Partygast sein? Eins vorweg: Es ist nicht leicht.

Fangen wir mit dem an, was Sie am wenigsten beeinflussen können. Das ist zwar nicht fair aber das Leben ist es auch nicht und die Party ist geballtes Leben. Also: Am besten Sie sehen gut aus. Nicht aus-dem-Ei-gepellt-gut, denn das wirkt bemüht und dadurch langweilig. Frauenzeitschriften schwärmen immer wieder von Männern, deren Muskeln vom Surfen kommen, nicht vom Fitnessstudio. Ein schönes Bild, an dem sich beiderlei Geschlechter orientieren können. Ihr Aussehen soll demnach nicht zur Schau getragener Selbstzweck sein, sondern Ausdruck ihres Wesens, das man sich wellenreitend vorstellen können sollte. Einen Neoprenanzug sollten Sie trotzdem nicht anziehen. Aber dazu später mehr.

Seien Sie geistreich

Am allerbesten sehen Sie natürlich aus, wenn Sie etwas Geistreiches von sich geben. Denn obwohl man das kaum für möglich gehalten hätte, überstrahlt Ihr unsichtbares Inneres Ihr sichtbares Äußeres noch. Wäre es anders herum, wollte man Sie zwar anschauen aber nicht unbedingt mit Ihnen sprechen. Und Sie wollen ja mit Namen erinnert werden, besser noch mit einem Zitat. Legen Sie sich etwas zurecht. Tippen Sie im Taxi ein paar Tweets mit Viralpotenzial ins Smartphone, ohne sie abzusenden. Bedenken Sie dabei bitte, dass ein Shitstorm noch unangenehmer ist, wenn er Sie im Reallife trifft. Welche Gesprächsthemen unverfänglich sind, erklärt einer, der sich mit Smalltalk auskennt.

Zunächst wollen wir aber herausfinden, wovon wir überhaupt sprechen, wenn wir Party sagen. Die Pariser Historikerin Dominique Veillon bezeichnet sie als “das schwarze Schaf der Etikette”. Ihr Wesen sei die Zwanglosigkeit. Seit ihrem Aufkommen – in Deutschland in den Fünfzigerjahren – bricht die Party mit dem streng reglementierten Ablauf von Festen, wie man sie bis dahin kannte. Zeitgenossen erlebten eine Liberalisierung des Feierns.

Die neue Freiheit weckte Beratungsbedarf, den allerhand Benimmratgeber deckten. Dabei fiel es den Autoren offenbar gar nicht so leicht, ihren Leserinnen und Lesern zu erklären, was eine Party eigentlich ist. In Gute Manieren, stets gefragt von 1962 wird erst einmal aufgelistet, was die Party alles nicht ist: “Keine Cocktailparty und kein Empfang, kein ‘Glas Wein nach Tisch’, kein Tanzabend und kein kaltes Buffet und doch von alledem etwas.” In einem anderen Buch aus demselben Jahrzehnt weiß man: “Damen behalten den Hut auf.”

Seien Sie nicht überpünktlich

Die Lockerung der Sitten habe schon damit begonnen, dass es keiner schriftlichen Einladung mehr bedurfte, sagt der Kulturhistoriker Bodo Mrozek. Seit dem Aufkommen des Telefons konnte man Freunde und Bekannte ganz einfach von einer bevorstehenden Feier in Kenntnis setzen. Zu welcher Uhrzeit die Gäste dann eintrafen war beinahe egal, solange sie nicht zu früh kamen und die Gastgeber in Verlegenheit brachten, die noch alle Hände voll zu tun hatten. “Pünktlichkeit im engeren Sinn spielt bei der Party keine Rolle mehr”, sagt Mrozek. Die auffälligste Veränderung vor Ort sei die Verlagerung vom Tisch in den freien Raum gewesen. Statt vom Gastgeber platziert zu werden (was einer Vorauswahl der Gesprächspartner gleichkam), konnte man sich auf der Party frei bewegen. Um Raum für Begegnungen (und zum Tanzen) zu schaffen, schoben die Gastgeber schon mal ein paar Möbel beiseite. 

Mehr Platz war auch die Voraussetzung für eine Fraktionsbildung, man denke an die Küchenparty, die selbst an einer langen Tafel nicht möglich war. Weil sich die Besucher über mehrere Räume verteilen konnten, war es möglich Menschen einzuladen, von denen man wusste, dass sie sich nicht besonders mochten. Sie konnten einander aus dem Weg gehen, mussten sich noch nicht einmal unbedingt begrüßen. 

Während von einem Teilnehmer der bürgerlichen Geselligkeit erwartet wurde, sich zu fügen – beispielsweise, indem er sich von seinem Ehepartner wegsetzen ließ – ist der Partygast plötzlich für sich allein verantwortlich. Er muss selbst Gesprächspartner finden, weil der Gastgeber nicht mehr alle Anwesenden einander vorstellt. Dasselbe gilt für die Gesprächsthemen, denn der Gastgeber ist auch aus seiner Funktion als Stichwortgeber für die Konversation entbunden. Ein gern gesehener Partygast ist jemand, der sich zu unterhalten weiß, anstatt vor lauter Einsamkeit am Smartphone zu hängen, Bücher mit buttrigen Buffetfingern aus dem Regal zu ziehen oder zu viel zu trinken. Ein Gast, der offensichtlich keinen Spaß hat, fällt auf den Gastgeber zurück.

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