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Schweden: Sie haben 50 Wörter für Schnee

Raus aus dem Schneegestöber und der Kälte, die in die Kleidung kriecht. Rein in die warme, gemütliche Stube. Die Fika, die Kaffeepause mit Zimtschnecken, den Kanelbullar, ist eine soziale Institution. Ideal, wenn man mit Schweden sprechen will, zum Beispiel über Olympia. 

“Olympia ist eine tolle Sache. Nur interessiert es hier keinen”, sagt Jörgen Stokki. Der 45-Jährige ist Fußballtrainer, arbeitet an Schulen. Schweden, genauer Stockholm, hat sich mal wieder für Winterspiele beworben. Geklappt hat es noch nie. Diesmal stehen die Chancen für 2026 gut, sagt Jörgen Stokki.

Schweden ist ein kleines Land mit großer Wintersporttradition. Jedes
Jahr gibt es hier Weltcups in alpinen und nordischen Skidisziplinen.
Immer wieder auch Weltmeisterschaften, in diesem Jahr gleich zwei, Alpinski in Åre
und Biathlon in Östersund. Deshalb reden sie hier auch von der Bewerbung des
Winterwunderlands. Im Schwedischen kennen sie mehr als 50 Wörter für
Schnee. Kinder werden hier auf Skier gestellt, noch bevor sie
laufen können, heißt es. Dennoch haben sie noch nie die Olympischen Winterspiele veranstaltet. Die Sommerspiele gab es einmal in Stockholm –
1912.

Im Juni werden die Spiele vergeben

Leicht hat es die Bewerbung nicht. Es gelten die üblichen Vorbehalte
gegenüber Olympia: Kosten, Korruption – und dann die Sportstätten, die
nach den Spielen zu Ruinen verfallen. Danke, nein, sagte man zuletzt im
Westen überwiegend. Auch in Schweden. Für 2022 zog man die Bewerbung
noch zurück – jetzt folgt der nächste Anlauf. Und im Winterwunderland,
das sich dem Wintersport angeblich so verpflichtet fühlt wie kein
zweites, herrscht Skepsis. Auch wenn es mit Mailand und Cortina
d’Ampezzo nur noch einen ebenfalls wackelnden Konkurrenten aus Italien
gibt.

Leicht wird es nicht. Bislang gibt es
keine Garantie der Regierung. Die musste erst mal gebildet werden, nach den
Wahlen im September. Seit Januar gibt es eine. Und in den ersten
Wochen hatte die natürlich anderes zu tun als Olympia, sagt der
Sportfan Jörgen Stokki. Eine Minderheitsregierung könne sich eigentlich
kein Risiko leisten – Olympische Spiele seien aber so eines. Die
Regierung will sich nun bis April erklären, hieß es am Wochenende. Die
Frist hat das IOC für den 12. gesetzt. Im Juni werden dann die Spiele
vergeben.

Das IOC war gerade eine Woche in Schweden unterwegs. Die Zeichen
stünden gut, heißt es. Schwedens Kultur- und Sportministerin Amanda Lind
sagte: “Es wäre eine Ehre, die Spiele auszurichten.” Und Stockholms
Bürgermeisterin Anna König Jerlmyr ergänzte: “Wintersport ist Teil der
schwedischen Seele und in unseren Herzen.” 

Aufseiten der
Offiziellen ist der Optimismus also ungebrochen. Sportprominente wie
die Langläuferinnen Charlotte Kalla und Stina Nilsson oder der
Slalomolympiasieger André Myhrer stehen ohnehin dahinter. Bei der
Bevölkerung sieht das noch anders aus. In Östersund zuckt man bei
der Frage nach Olympia überwiegend mit den Schultern. Selbst der
Sportfan Jörgen Stokki sagt: “Die Leute interessiert das noch nicht. Das ist
alles verdammt weit weg.” 

Minus 17 Grad

In Östersund ist am Sonntag die Weltmeisterschaft der Biathleten zu Ende gegangen. Es war eine schöne, beschauliche WM. Aber die Zuschauerzahlen und die Stimmung erreichten nicht annähernd die Maßstäbe von
Biathlontraditionsstandorten wie Oberhof, Oslo oder Antholz.
Nur am Wochenende kamen mal 20.000. Es mag auch an der Kälte gelegen
haben. Bei minus 17 Grad steht es sich schlecht im Schnee an der
Strecke. “Wir verfolgen alle möglichen Arten von Sport. Aber wir reisen ihnen nicht hinterher”, sagt Jörgen Stokki. Das mit der
Wintersportbegeisterung sei nämlich ein Missverständnis, sagt er: “Wir
lieben den Schnee und den Winter. Aber den Wintersport? So viele
interessiert der hier gar nicht, wenigstens nicht der professionelle.” 

In
Stockholm hätten sie etwa zwei Hockeyteams und kriegten kaum die Arena
mit den 10.000 Leuten voll, sagt er. Und das, obwohl Schweden im Eishockey
doch erfolgreich ist als zehnmaliger Weltmeister. Wozu dann auch noch
neue Anlagen bauen? “Es wird schwierig, die Leute zu begeistern. Bei
Olympia noch mal mehr, wenn die Kosten dazukommen. Davor haben die Leute
Angst.”

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