/#Schnullergate: Kinder unter sechs Jahren unerwünscht

#Schnullergate: Kinder unter sechs Jahren unerwünscht

In dem Hamburger Café moki’s goodies müssen kleine Kinder bis sechs Jahre draußen bleiben – sie sind nicht erwünscht. Ein entsprechender Hinweis auf der Homepage des Cafés machte vor einigen Tagen auf Instagram die Runde. Über die Besitzerin brach ein Shitstorm herein, der in seiner Heftigkeit überraschte. Eltern empörten sich in sozialen Medien und erdachten den Hashtag #Schnullergate, schnell war von Diskriminierung die Rede. Nach einem Bericht im ZEIT-Hamburg-Newsletter “Elbvertiefung” erreichten uns Hunderte Mails zu dem Fall. Auch unter unseren Lesern und Leserinnen gehen die Meinungen teils weit auseinander – hier lassen wir zwei von ihnen zu Wort kommen.

“Mit den Kindern ist nichts verkehrt, sondern in manchen verbissenen Erwachsenenköpfen”

Rahel Clarke, Mutter von zwei Jungs
im Alter von zwei und vier Jahren, wohnt in Hamburg-Ohlsdorf:

Für mich sagt das Kinderverbot vor
allem etwas über eine Mentalität aus, die hier in Hamburg und generell in
Deutschland herrscht. Offensichtlich sah sich die Cafébesitzerin zu so einer
klaren Position genötigt, weil andere Besucher pikiert reagiert haben. Ich kann
verstehen, dass der Lärm und das wilde Leben, das Kinder mitbringen, manchmal
stört. Trotzdem wünsche ich mir einen Perspektivenwechsel! Mit den Kindern ist
nichts verkehrt, sondern in manchen verbissenen Erwachsenenköpfen. Denen
wünsche ich ein bisschen mehr Pippi Langstrumpf ins Herz.

Rahel Clarke ist Mutter von zwei Söhnen.
© privat

Neulich habe ich bei einem
Cafébesuch eine Szene beobachtet, die mich sehr wütend gemacht hat: Ein
Elternpaar, die Tochter erst wenige Wochen alt, war wohl zum ersten Mal nach
der Geburt gemeinsam frühstücken. Die Tochter bekam Hunger. Die junge Mutter
bemühte sich, das Baby zu beruhigen, stillte es unter einem Stilltuch. Man
merkte, dass das Stillen noch neu und ungewohnt für sie war. Die Verlegenheit
über das schreiende Kind machte ihr zu schaffen. Da mokierten sich zwei ältere
Damen, die zwei Tische weiter saßen, und forderten die Mutter auf, ihr Kind
doch bitte auf der Toilette zu stillen. Die Familie verließ daraufhin das Café,
draußen kullerten einige Tränchen. So etwas gehört nicht in die heutige Zeit.
Ist das die Art von Gesellschaft, die wir sein wollen?

Meine zwei Jungs sind laut,
fröhlich und nicht gerade schüchtern. Sie plaudern gerne mal mit ahnungslosen
Mitmenschen. Manchmal entschuldige ich mich dafür, wenn es etwas penetrant
wird. Schön ist es, wenn dann jemand einfach ein gütiges Lächeln übrighat und
nicht nur einen genervten Blick, so wie unsere übrigens kinderlose Nachbarin,
die zu dem Lärm nur meinte: “Ach was, das ist herrlich! Bei uns in Italien sind
alle Kinder so und wir lieben es!”

Hamburg ist nicht Italien,
natürlich. Aber vielleicht lässt sich von der Einstellung in Südeuropa und im
ebenso kinderfreundlichen Skandinavien etwas lernen. Ich würde mir wünschen,
dass ein Dialog entsteht, wenn sich jemand im Café gestört fühlt. Man könnte in
so einem Fall das Kind auch einfach ansprechen und es fragen: “Wie heißt du?
Und kannst du vielleicht da drüben spielen? Hier stört es mich.” Das wäre
allemal besser, als nur grimmig vor sich hin zu starren.

Natürlich sollten alle Seiten
Rücksicht nehmen. Ja, es gibt rücksichtslose Eltern, denen offenbar der Blick
dafür fehlt, wann es angemessen wäre, das Kind zur Ruhe zu rufen. Ich selbst
bin ziemlich rücksichtsvoll, glaube ich. Es kam auch schon vor, dass einer von
uns mit den Kindern aus dem Restaurant rausgegangen ist – inzwischen gehe ich
nicht mehr mit müden Kindern ins Restaurant und wähle solche Lokale aus, in
denen es eine Spielekiste oder eine Kinderecke gibt. Dort fühlt man sich gleich
willkommen. 

Wie wichtig es ist, einen wachen
Blick für die Lebenswelt der Mitmenschen zu behalten, hat mir neulich eine
Situation vor der Kita gezeigt. Ich stelle mein Auto manchmal kurz auf einen
Privatparkplatz. Natürlich dauert es dann manchmal doch 15 Minuten, bis der
Kleine angezogen ist. Als wir an diesem Tag rauskamen, stand der
Parkplatzinhaber vor mir, er war richtig wütend: “Ist ja klar, manche Leute
denken, sie dürfen alles, nur weil sie Kinder haben!” Ich konnte seinen Ärger
verstehen und habe mich entschuldigt. Das war ganz schön heilsam für mich.
Seitdem versuche ich, mein Auto woanders abzustellen. Um einander zu verstehen, müssen wir
mehr ins Gespräch kommen. Nur Verbote, Scheuklappen und Me-first-Denken – so
klappt es nicht.

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