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Lügde: Jugendamt erhielt schon 2016 Hinweise auf Pädophilie

Der Hauptverdächtige im Missbrauchsfall Lügde ist trotz früherer Hinweise auf Pädophilie vom Jugendamt Hameln in Niedersachsen als Pflegevater für ein kleines Mädchen eingesetzt worden. Hamelns Landrat Tjark Bartels (SPD) teilte mit, dass schon 2016 eine Jobcenter-Mitarbeiterin, ein anderer Vater sowie eine Kindergartenpsychologin den Verdacht auf sexuell übergriffiges Verhalten geäußert hätten. Diese Hinweise seien in den Akten vermerkt. In der Vergangenheit hatte der Landrat darauf verwiesen, dass sich die Akten noch bei der Staatsanwaltschaft befinden.

Der arbeitslose Dauercamper soll gemeinsam mit einem Komplizen über Jahre hinweg Kinder auf einem Campingplatz in Lügde missbraucht und dabei gefilmt haben. Sein Pflegekind soll er eingesetzt haben, um andere Opfer anzulocken.

Der 56-Jährige sitzt seit Ende 2018 in Untersuchungshaft, kurz danach wurden ein 33-Jähriger aus Steinheim sowie ein 48-Jähriger aus Stade festgenommen. Der Mann aus Stade soll den Kindesmissbrauch im Internet live verfolgt haben. Anfang 2017 hatte der Campingplatzbewohner auf Wunsch der im Kreis Hameln lebenden Mutter die Pflegschaft für die damals Sechsjährige erhalten, die schon länger bei ihm lebte.

Bartels entschuldigte sich erstmals bei den Opfern. Die Hinweise seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Man hätte dem Mann nicht die Vollzeitpflegschaft übertragen dürfen, sagte er. Allerdings habe es keinen Grund gegeben, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen, das sie bis heute besitzt. Das Mädchen wurde bei der Verhaftung des Pflegevaters in Obhut genommen und wird dem Jugendamt zufolge in einer Einrichtung mit Gleichaltrigen betreut und therapiert.

Jugendamtsmitarbeiterin löschte Akteneintrag

Der Landrat teilte auch mit, dass eine Jugendamtsmitarbeiterin kurz vor Beschlagnahmung der Akten durch die Staatsanwaltschaft einen Eintrag gelöscht hatte, den die Ermittler rekonstruieren konnten. Darin wurde dargestellt, dass der Mann immer wieder Kontakt zu jüngeren Mädchen suche und sie in ein Abhängigkeitsverhältnis bringe. Die Frau, die die Löschung zugab, wurde vom Dienst freigestellt.

“Für Süßigkeiten macht sie alles”, soll der Mann aus Lügde bei einem Besuch des Jobcenters 2016 gemeinsam mit dem Kindergartenkind gesagt haben. Im gleichen Jahr wandte sich ein besorgter Vater an Polizei und Kinderschutzbund, weil der Dauercamper erzählt hatte, er setze sich Kindern gern in den Nacken. Eine Psychologin im Kindergarten des Mädchens vermutete im September 2016 Pädophilie.

Nach Angaben des Jugendamtes konnte der Mann den Verdacht entkräften und sei eng betreut worden. Im April 2018 wurde die Betreuung durch eine Familienhilfe allerdings beendet und der Sozialdienstleister zeigte eine chronische Kindeswohlgefährdung an. Der Pflegevater müsse Erziehungsseminare besuchen, hieß es. Erst im August 2018 begannen regelmäßige Besuche eines neuen Familienhilfeträgers.

Niedersachsens Sozialministerin kritisiert Jugendamt

Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) kritisierte das Vorgehen des Jugendamts. “Was den betroffenen Kindern in Lügde angetan wurde, ist bestürzend. Mir ist unverständlich, wie das Jugendamt Hameln-Pyrmont drei Hinweise innerhalb eines halben Jahres falsch würdigen konnte – hier zeigt sich eine fatale Fehleinschätzung”, sagte Reimann.

In Nordrhein-Westfalen hatte sich der Fall um den massenhaften Kindesmissbrauch auf dem Campingplatz in Lügde zuletzt immer mehr zu einem Polizeiskandal ausgeweitet. Unter anderem verschwanden 155 bei dem Dauercamper sichergestellte CDs und DVDs aus einem Asservatenraum. Mehrere Beamte von der Polizei Lippe wurden bereits versetzt oder suspendiert.

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