/“Tatort” Münster: Das ist doch kein Kassengestell

“Tatort” Münster: Das ist doch kein Kassengestell

Es ist einiges anders im Münsteraner Tatort: Spieglein, Spieglein (WDR-Redaktion: Nina Klamroth). Anders als sonst in Münster, das mit seinen
klar entworfenen Typen und den immer gleichen Witzen in neuen Variationen
routiniert vor sich hinschnurrt. Das mit den “klar entworfenen
Typen” ist dabei die Voraussetzung für die Geschichte von Spieglein, Spieglein (Drehbuch: Benjamin Hessler) – insofern könnte man fast von einem Meta-Münster-Tatort sprechen.

Selbstreferenziell ist er allemal, denn die
Verbrechensserie, die sich im Takt der Wochentage vollzieht, konfrontiert Thiel
(Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) mit lauter Opfern, die dem Personal von Münster ähnlich sehen: Die erste Leiche erinnert an
Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann), bei der zweiten verweist die
Körpergröße auf Frau Haller (Christine Urspruch). Der dritte Tote ist ein
Taxifahrer, der wie Vatter Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) ergrauten Zopf und Bart
trägt.


"Tatort" Münster: Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über "Tatort" und "Polizeiruf 110". Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne "Der Obduktionsbericht".

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Dass die Ähnlichkeiten nicht zufällig sind, bedeuten Details: Bei den Opfern finden sich die Zigarettenschachtel von Frau Klemm, der Schal von Frau Haller,
die Visitenkarte von Vatter Thiel. Weil Thiel Schuhe fehlen und Boerne eine
Mütze, ist der geplante Weitergang des Serienmords erkennbar – am vierten und
fünften Tag sollen deren Doppelgänger ermordet werden.

Anders ist in dieser Folge nun, dass zum einen Nadeshda Krusenstern fehlt – urlaubsbedingt, wie es heißt. Thiels Klage darüber ist durchaus als Gruß an deren
Darstellerin (Friederike Kempter) lesbar. Vertreten wird sie von Mirko Schrader
(Björn Meyer), einem unauffälligen, aber umsichtigen Kollegen. Schrader wirkt
in seinem Insistieren auf Polizeiarbeit wie der Kommentar von außen – weil er
nicht zum Stammpersonal gehört, ist er von der Mordserie nicht gemeint und
bleibt nüchtern im Blick auf den Fall. Am Herauspräparieren solcher
Meta-Momente ist der Tatort aber nicht richtig interessiert. Muss
er ja auch nicht.

Anders ist zum zweiten, dass Boerne, der ja schon immer mit
an Tatorten rumhing, hier stärker in die Polizeiarbeit einbezogen ist – ein
erstes Gespräch über den Fall, das Thiel für gewöhnlich mit Krusenstern und
vielleicht Klemm geführt hätte, findet gemeinsam mit Haller und Boerne statt.
Und später sitzt Boerne ziemlich selbstverständlich im Revier, wo er sonst doch
zumeist nur zu Besuch kam. Das mögen Kleinigkeiten sein, aber sie
verändern den Eindruck, den man von Münster hat.

Und anders ist zum dritten, dass die Verbrechensserie etwas
ungewöhnlich Spannendes und auch Monströses hat. Das schlägt ein wenig aufs
Gemüt, auf die grundheitere Stimmung in Münster, die durch die putzigen Titel
ja immer schon ins Märchenhaft-Wundersame verschoben ist. Wenn es wirklich nur
um Spannung gegangen wäre, hätte sich der Thrill der Aufklärung wohl auch noch
weiter zuspitzen lassen können.

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