/Michio Kaku: “Ja, die Sonne stirbt. Na und?”

Michio Kaku: “Ja, die Sonne stirbt. Na und?”

Klimawandel, Artensterben, die Ausbeutung der Erde: Inzwischen haben wir gelernt, dass
wir uns auch um das Schicksal der kommenden Generationen sorgen sollten – und um die Welt,
die wir ihnen hinterlassen. Aber warum dabei nur an die nächsten 100 Jahre denken? Der
72-jährige Michio Kaku, theoretischer Physiker und Science-Fiction-Fan, hat sich Gedanken
darüber gemacht, wie die Menschheit auch die nächsten 1000, 100.000, 100 Millionen Jahre
überleben könnte. Das Ergebnis? Während andere der Untergangslust verfallen, bleibt er
Optimist: Noch aus jeder erdenklichen Menschheitskatastrophe scheint Kaku einen Ausweg zu
wissen.

DIE ZEIT:
Herr Kaku, im Silicon Valley ist es unter Denkern und Unternehmern gerade schick, von der
Besiedlung des Weltraums zu träumen – besonders der Mars lockt. Denn, so heißt es, den
Klimawandel und andere drohende Katastrophen werde die Menschheit nur überleben, wenn sie
multiplanetary
wird – also auf fremden Planeten eine zweite Heimat findet. In
Ihrem neuen Buch schließen Sie sich dieser Forderung an. Wann muss ich die Umzugskisten
packen für die Mars-Reise?

Michio Kaku:
Das müssen Sie nicht. Wir können nicht alle zusammen auf den Mars ziehen. Das wäre zu
aufwendig, zu teuer. Aber wir brauchen eine Lebensversicherung, einen Plan B. Eine zweite
Erde. Nur für den Fall, dass der ersten irgendwas passiert: ein Meteoriteneinschlag, ein
Virus, der Klimawandel. Es geht aber nicht darum, die Erde zu evakuieren und den Klimawandel
einfach zu vergessen. Wir müssen beides gleichzeitig angehen: die Probleme hier lösen und
das All erobern. Die Dinosaurier hatten kein Raumfahrtprogramm, deswegen sind sie nicht mehr
unter uns. Wie 99 Prozent aller Arten auf der Erde sind sie ausgestorben. Aussterben ist die
Regel. Aber wir sind reflektierende, denkende Wesen, wir sind Herr über unser Schicksal –
wir könnten doch die eine Ausnahme von dieser Regel sein!

ZEIT:
Dafür aber müssen wir den Weltraum erobern. In Ihrem Buch versammeln Sie Überlegungen von
rund 200 Wissenschaftlern, wie die Besiedlung des Alls ablaufen könnte. Am weitesten
gediehen sind die Pläne des Unternehmers Elon Musk, der zum Mars fliegen will. Sie
schreiben, dass wir vielleicht schon im Jahr 2050 einen permanenten Außenposten dort haben
werden.

Kaku:
Auch die Nasa plant eine Mars-Mission. Ende 2019 soll nach 50 Jahren endlich wieder eine
Nasa-Mondrakete starten, das wird der erste Schritt. Bis 2030 soll im Mond-Orbit eine
Weltraumstation entstehen, ähnlich der ISS. Dort wird bis 2040 die eigentliche Mars-Rakete
zusammengebaut, die einen neuartigen Ionen-Antrieb nutzt.

ZEIT:
Wie schnell würden die Nasa-Astronauten den Mars erreichen?

Kaku:
Die meisten Schätzungen gehen von ungefähr neun Monaten aus. Dort müssten die Raumfahrer
dann einige Monate bleiben, bis die Erde und der Mars wieder so nah beieinander sind, dass
die Rückreise ebenfalls in neun Monaten möglich ist. Insgesamt wäre man vielleicht zwei
Jahre unterwegs.

ZEIT:
Und die Pläne von Elon Musk?

Kaku:
Seine Rakete soll den Mars direkt erreichen, ohne den Umweg über den Mond. Er muss vorher
keine Mondstation errichten. Wenn das klappt, wäre er mehrere Jahre vor der Nasa auf dem
Mars.

ZEIT:
Wie könnte eine permanente Siedlung auf dem Planeten aussehen, von der Musk und Sie
träumen?

Kaku:
Der Schlüsselbegriff hier ist Selbstversorgung. Wir wollen nicht, dass dieser Außenposten
die knappen Ressourcen der Erde verbraucht. Zuerst müsste man die Energieversorgung
sicherstellen, es müssten Solarzellen installiert werden. Dann ginge es um Nahrung: Man kann
Pflanzen und Algen genetisch so verändern, dass sie auf dem Mars gedeihen. Um an Wasser zu
kommen, müsste man das Eis ausgraben, das unter dem Mars-Boden liegt. Das wird geschmolzen,
um daraus Wasserstoff für Raketenantriebe zu gewinnen und natürlich Sauerstoff, den die
Astronauten brauchen.

ZEIT:
Wenn wir den Mars einmal besiedelt haben, wohin als Nächstes?

Kaku:
Hinter dem Mars liegt der Asteroidengürtel. Schon jetzt überlegen
Silicon-Valley-Milliardäre wie Google-Chef Larry Page, wie sich die Rohstoffe der Asteroiden
gewinnbringend schürfen lassen. Das könnte einen Goldrausch im Weltraum auslösen. So wie
Kalifornien im Goldrausch von 1848 rasant besiedelt wurde, so könnte es auch dem
Asteroidengürtel ergehen: Dort würde man wertvolles Platin abbauen und Seltene Erden.

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