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Familienurlaub: Alles im Wunderland

Und dann nimmt er meine Hand. Der Mond erleuchtet kitschig den Balkon, auf dem nur wir beide sitzen, die beginnende Nacht hängt samtig über Kärnten. Wir blicken auf die Gailtaler Alpen, die sich vom Dunkel abheben. Die Kinder schlafen, vor uns stehen zwei Gläser Wein und die Teller mit den Resten unseres Essens: Nudeln mit Tomatensoße. Es ist ein Abend voller Unbeschwertheit. Jobs, Kindergarten und Großeinkauf sind weiter weg als Pluto, der Zwergplanet. “Lass uns das nächstes Jahr wieder machen”, sagt mein Mann. Klingt nach Pilcher? Ist aber Kärnten.

Einen Tag zuvor, auf dem Spielplatz der Gaststätte Alter Pocher in Heiligenblut, fragt meine Tochter: “Mama, wann können wir wieder nach Kärnten?” Rosalie, bald 5, schaukelt fast in den Himmel hinein und will noch ein Eis. Ich muss lachen, denn bis vor einer Woche hatte sie noch nie etwas von Österreichs südlichstem Bundesland gehört – bis wir beschlossen, hier ein langes Wochenende zu verbringen, um für den Jahresurlaub zu üben. Auszutesten, wie wir uns zu viert entspannen können, mit all unseren unterschiedlichen Bedürfnissen: unsere Kinder Rosalie und Hugo, 18 Monate, mein Mann Maximilian und ich. Während der Kleine gerade laufen gelernt hat, steige ich im Urlaub gern auf Berge. Maximilian chillt am liebsten mit dem Smartphone. Rosalie liebt Tiere und hasst es zu wandern. Besonders, wenn es ums Verreisen geht, merken wir, was der Alltag längst bewiesen hat: Das Leben ist spannender und vielfältiger geworden, seit die Kinder da sind. Aber auch etwas komplizierter. Wo wir unseren Kurzurlaub verbringen wollen, entscheiden wir nach ein paar grundsätzlichen Überlegungen.

Dieser Artikel stammt aus “ADAC Reisemagazin“ Nr. 169

1. Wir suchen ein Ziel, das wir mit dem Auto erreichen können. Denn für all unser Gepäck brauchten wir sonst einen Privatjet, und Züge halten selten dort, wo wir das möchten. Mehr als vier Stunden Fahrt trauen wir uns nicht zu, wir wollen nicht schon unterwegs die Nerven verlieren. Schließlich haben wir nur drei Tage, um uns zu erholen.

2. Wir brauchen drei Zimmer, da wir abends nicht alle gleichzeitig ins Bett gehen und im schlimmsten Fall beide Kinder nachts aufwachen. Im Hotel unbezahlbar, also suchen wir nach einer Ferienwohnung.

3. Die Basis für einen erholsamen Urlaub, bei dem sich auch die Eltern mal ausruhen können, sind entspannte Kinder. Da wir Clubanlagen nicht mögen und außerdem Hugo und Rosalie in den Ferien nicht in die Kinderbetreuung stecken wollen, möchten wir dahin, wo es für die beiden etwas zu entdecken gibt.

Kärnten, so viel steht schnell fest, schneidet in jeglicher Hinsicht hervorragend ab. Wir mieten ein Apartment, setzen uns Freitagfrüh in München ins Auto und sind mittags da. Vor uns liegen drei Tage Abwechslung: Goldwaschen am Freitag, Adler und Affen gucken auf Burg Landskron am Samstag und Eselreiten am Sonntag. Das b­este Animationsprogramm eines All-inclusive-Hotels könnte da nicht mithalten. Auch uns Elter­n dürfte es gefallen. Kärnten liegt in den Ostalpen, verfügt über die meisten Seen des Landes und grenzt im Süden an Italien. Von allem, was wir uns im Urlaub wünschen, finden wir hier die ideale Kombination. Tourismusexperten sagen: Alpine Lebensart trifft mediterrane Leichtigkeit. Davon verstehen Rosalie und Hugo noch nichts, für sie zählen andere Dinge.

Dass Rosalie am liebsten für immer Ferien beim Alten Pocher in Kärnten machen will, liegt an ihrer Leidenschaft fürs Schatzsuchen. So kommt es ihr nämlich vor, als wir uns im Fleißtal in Heiligenblut am Großglockner auf rund 1800 Metern mit “Goldwaschen” versuchen. Was die beiden da heraussieben, während ich mit einem zufrieden stolpernden Sohn an der Hand den Bachlauf erkunde, nennt sich Katzengold: ein goldfarbenes Mineral, auch als Pyrit bekannt – aber eben kein richtiges Gold. Nach diesem suchten hier die Knappen zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert tatsächlich. Selbst heute ist es noch möglich, Blättchen oder Körner des Tauern­goldes aus dem Fluss herauszuwaschen – wenn auch klimatische Veränderungen, Gold aus dem neu entdeckten Amerika und ein Rückgang der Goldvorräte des Berges die hiesigen Bergwerke wirtschaftlich ruinierten. Mit den winzigen Flittern des Pyrits, die wir heute mit heimnehmen, können wir unseren Urlaub nicht finanzieren. Rosalie, die auf Kindergeburtstagen schon nach Feengold gejagt hat und alles liebt, was glitzert, füllt das Katzengold in die durchsichtigen Plastikfläschchen und schließt ihre Finger fest darum. Wenn es darum geht, Glücksmomente zu sammeln, dann ist dieser Augenblick unbezahlbar.

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