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Betrug bei Ferienwohnungen: Villa Fake

Als Arkadiusz D. an einem Abend im Sommer 2016 den Laptop aufklappt und
das Programm startet, das ihn im Internet unsichtbar macht, hat er nicht vor, Hunderten
Menschen den Urlaub zu versauen. D., 28 Jahre, Automobilkaufmann, braucht Geld. Möglichst
schnell. Ein Deal mit Autos aus Litauen ist gescheitert. Er hat 50.000 Euro Schulden bei einem
Geschäftspartner. So erzählt er es.

Er tippt: Crimenetwork.

Auf dem Bildschirm öffnet sich eine Website, das Design schlicht, oben ein Schriftzug:
“Unleashed scene”,
entfesselte Szene. Die Untergruppen heißen “Betrug”, “Drogen” oder “Real Crime”. Suche sichere Handys, biete Falschgeld, Schadsoftware, gefälschte Pässe. Crimenetwork ist eine Art eBay Kleinanzeigen für kriminelle Dienstleistungen.

Irgendwann entdeckt D. eine Nachricht: Jemand braucht Konten. Konten, auf die ahnungslose Kunden Geld überweisen für Produkte, die sie nie erhalten werden. “Filling” nennt das die Szene. Gute “Filler” wissen, wie man anonym Konten besorgt und Geld so hin- und herschiebt, dass die Banken nichts merken. D. versteht: Es geht um viel Geld.

Der Mann, der die Anzeige verfasst hat, nennt sich Joko7. “Elite-Member”, besonders aktiv und vertrauenswürdig – sofern Vertrauen überhaupt möglich ist bei Menschen, die Geld damit verdienen, andere abzuziehen. D. kennt einen Filler: einer seiner Partner aus dem Autohandel, der auch krumme Geschäfte macht.

Also, sagt D., schrieb er eine Nachricht.

Mehr als zwei Jahre später, im Oktober 2018, sitzt D. in einem Café an der deutsch-niederländischen Grenze und erzählt seine Geschichte. Wie er Teil einer Bande wurde, die in zwei Deals mit falschen Ferienwohnungen zusammengerechnet eine halbe Million Euro gemacht hat. Die knapp 300 Familien, Paare, Rentner, Singles um ihren Urlaub gebracht hat – und oft um mehrere Tausend Euro. Wie er ein paar Monate lang reich war und am Ende im Gefängnis landete.

Das Café ist fast leer, trotzdem hat D. eine Sitzecke ganz hinten gewählt, zwei Tische Abstand zu den nächsten Kunden, im Radio läuft Amy Winehouse. Die Hintermänner der Bande sind immer noch nicht gefasst: zwei Deutsche, keine 30 Jahre alt. Sie verstecken sich in Villen im Ausland vor den Ermittlern. Sie kaufen sich von dort Straftaten ein wie Dienstleistungen. Und D. hält sie für gefährlich. Er will trotzdem sprechen, über sich und den Betrug. Nicht über die Hintermänner. Er sitzt aufrecht, das kurze Haar gegelt, das Gesicht seltsam schlickfarben. Manchmal beugt er sich nach vorn und senkt die Stimme, um seinen Worten mehr Bedeutung zu verleihen. “Ich bereue, was ich getan habe”, sagt er. “Aber ich bin nicht der echte Betrüger.”

Man kann nicht alles vollständig überprüfen, was D. erzählt, und klar ist, dass er seine Version der Geschichte erzählt, mit seiner Version von Schuld und Verantwortung. Aber man kann diese Geschichte mit mehr als 1000 Seiten Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Mannheim abgleichen, mit Aussagen und Dokumenten von Geschädigten. Nicht immer stimmen D.s Angaben mit den Akten überein. Aber zusammengenommen ergibt sich ein seltener Einblick in die Welt junger Cyberkrimineller, deren Job der Betrug ist. D. war nur ein Handlanger. Aber selbst ein kleiner Handlanger kann, wenn er an die richtigen Hintermänner gerät, mit kriminellen Internetgeschäften großes Geld machen.

Anfang November 2016 gehen zwei Websites online, die Ferienwohnungen am Gardasee und auf Mallorca anpreisen, die es in Wahrheit nicht gibt. D. sagt, er habe den Kontakt zum Filler vermittelt und nebenbei geholfen, das Geld zu verschieben und zu verstecken. Doch der Betrug fliegt auf: Wegen Geldwäscheverdachts lassen die Banken die Konten sperren, die Polizei schaltet sich ein. Aber D. hat Glück: Die Ermittler kommen ihm nicht auf die Spur. Er hat seine Arbeit sauber erledigt.

Eines Abends habe Joko7 ihn gefragt: Willst du tiefer ins Geschäft einsteigen?

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