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Rechtsextremismus: Was trieb den Attentäter von Christchurch an?

Bei einem Attentat auf zwei Moscheen im neuseeländischen
Christchurch sind nach Regierungsangaben 49 Menschen getötet worden. Drei
Männer und eine Frau befinden sich in Polizeigewahrsam. Was wissen wir über sie? Noch ist unklar, in
welchem Ausmaß die vier an der Tat beteiligt waren. Eines jedoch ist klar: Ungefähr
fünfzehn Minuten bevor die
ersten Schüsse fielen, kündigte ein anonymer User die Tat auf dem Portal Imageboard
8chan
an: “Ich werde einen Angriff gegen die Invasoren durchführen, und werde
die Attacke sogar via Facebook livestreamen.” Das hat er tatsächlich getan. Die Bilder sind unerträglich.

Neuseeländische Medien berichten über den Autor des Pamphlets, mit Herkunft und Alter: Er sei 28 Jahre alt, Australier und heiße Brenton T., er stamme aus der Arbeiterklasse. Vermutlich handelt es sich hierbei um den Mann Ende zwanzig, dessen Festnahme die Polizei bestätigt hat und der noch an diesem Wochenende angeklagt werden soll.

Den Livestream auf Facebook eröffnete der Attentäter mit den Worten “Denkt dran,
Freunde, abonniert PewDiePie”. PewDiePie ist das Alias des weltweit
erfolgreichsten YouTubers Felix Kjellberg aus Schweden, der antisemitische Beleidigungen und Nazi-Symbolik in seinen Clips verwendet. Mindestens neun Videos seit vergangenem August enthielten demnach Hakenkreuze, Ausschnitte aus Hitlerreden oder Nazimusik. Satire, nichts weiter, erklärt Kjellberg. Dass
der mögliche Täter seinen Namen verwendet hat, widere ihn an, erklärte er am
Freitagmorgen via Twitter. In der Kommentarspalte wimmelt es von Fans, die
ihrem Idol versichern, er habe nichts mit dem Attentat zu tun. 

In seinem 87-seitigen Manifest spottet der möglicherweise gleiche Täter: Spyro, ein kleiner violetter Videospieldrache,
habe ihn zum Ethnonationalismus konvertiert. Er bedroht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Tod. Sie sei “die Mutter aller anti-weißen und anti-germanischen Dinge, ganz oben auf der Liste”. Wenige hätten so viel getan, um Europa zu schädigen. Die Passage endet mit den Worten: “KILL ANGELA MERKEL, KILL ERDOGAN, KILL SADIQ KHAN.”

Mit Ironie und bewusster
Provokation will er offenbar emotionale Reaktionen beim Publikum auslösen. So wird es fast unmöglich, sein Weltbild aus seinem Pamphlet zu
rekonstruieren. Darüber hinaus will sich T. keiner bestimmten
rechtsextremen Gruppe zuordnen. Lediglich gegenüber anderen Attentätern,
darunter Dylann Roof und Anders Breivik, empfindet er eine Art ideologische Verbundenheit.
Das Manifest des norwegischen Massenschützen sei seine “wahre Inspiration” gewesen.

Bezüge zu britischen Faschisten

Es gibt möglicherweise einige Dinge, an die der Attentäter wirklich glauben könnte, nur
haben diese nichts mit Spyro, dem lila Drachen oder PewDiePie zu tun. T. bezieht
sich in seinem Dokument wiederholt auf Oswald Mosley, dem Gründer der Britischen
Union of Fascists, einer faschistischen Partei der Dreißigerjahre, die danach strebte,
England in einen Zustand völliger finanzieller und kultureller Unabhängigkeit
vom Rest der Welt zu bringen.
Sowohl seine Rhetorik als auch seine Tat befinden sich in völligem Einklang
mit dieser Ideologie.

Auf den Waffen, die einer der Täter im Video zeigt, ist mehrfach die Zahl 14 zu sehen.
Sie verweist auf die “vierzehn Wörter”, die von dem inhaftierten Neonazi David Eden Lane verfasst wurden. Lane war Mitglied der rechtsradikalen Terrorzelle The
Order, die nach einer fiktiven Gruppe aus dem Roman The Turner Diaries aus dem Jahr 1978 benannt
wurde. Die Turner Diaries propagieren eine “weiße Revolution” gegen einen
imaginierten Genozid. Sein Pamphlet schreibt sich mit dem Titel The Great
Replacement
in genau diese Tradition ein. Auch der Pittsburgh Attentäter
glaubte an eine Verschwörung, wonach Juden lateinamerikanische Einwanderer
systematisch ins Land brächten, um die “weiße Rasse” zu ersetzen. Darüber
hinaus ist auf einer der Waffen der Spruch “Kebab Remover” zu lesen, eine in
Onlineforen beliebte Anspielung auf die Bosnien- und Kosovokriege. Es handelt
sich um eine implizite Aufforderung ethnisch fremde (türkische) Elemente aus
Europa zu entfernen. Dass Nato-Truppen an der Seite “muslimischer
Eindringlinge” gegen “europäische Christen” kämpfen, dürfe nie wieder
passieren, so der Verfasser.  

PewDiePie und der politisch inkorrekte Humor der von ihm
geprägten Onlinesubkultur haben T. nicht zum Attentäter gemacht. Vollkommen
lässt sich seine Tat aber nicht von dem Umfeld abstrahieren, indem er sie
geplant hat. Imageboards und YouTube haben ihm zwar nicht die Idee, aber sie haben
ihm Deckung gegeben. Die Leitlinie “Ist nur Spaß” macht es unmöglich, Radikalisierungen
rechtzeitig zu erkennen.

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