/Klimaschutz: “Papa, fühlst du dich schuldig?” “Ja. Das ist ein Scheißgefühl.”

Klimaschutz: “Papa, fühlst du dich schuldig?” “Ja. Das ist ein Scheißgefühl.”

Ist die Klimakrise ein Generationenkonflikt? Ein Streitgespräch zwischen Jugendlichen und ihren Eltern

Am Tisch sitzen Isabel Renninger, 41, und ihre Tochter Luna, 16. Daneben Jan Puls, 48,
und seine Tochter Leevke, 18, die gerade Abitur macht. Außerdem dabei ist Jakob Blasel, 18,
er organisiert viele “Fridays for Future”-Demonstrationen. Seine Eltern wollten nicht
mitdiskutieren. Sie alle kommen aus Kiel, Flensburg und Umgebung, die Schüler kennen sich
teilweise bereits untereinander.

DIE ZEIT:
Frau Renninger, Eltern wollen ihren Kindern oft eine bessere Welt hinterlassen, als sie sie
selbst vorgefunden haben. Wird Ihnen das bei Ihrer Tochter Luna gelingen?

Isabel Renninger:
Ich befürchte nein. Als ich geboren wurde, war die Lage der Welt besser als im Moment.
Früher hieß es zwar auch immer wieder, es sei fünf vor zwölf. Aber jetzt ist es eben drei
vor zwölf und der Handlungsbedarf viel drängender.

ZEIT:
Luna, trägt deine Mutter eine Mitschuld an den Zuständen, gegen die du demonstrierst?

Luna Renninger:
Schon. Denn sie gehört zu der Generation, die uns die Klimakrise eingebrockt hat. Ihre
Generation hat sich der Probleme nicht angenommen, und wir müssen das nun ausbaden.

Jakob Blasel:
Das stimmt. Es war seit den Siebzigern bekannt, dass es eine Klimakrise geben wird. Es gab
Dürren und Überschwemmungen, und es gab genug wissenschaftliche Studien, die vor der
Umweltverschmutzung warnten. Der Weltklimarat hat schon Ende der Achtzigerjahre genau
vorhergesagt, wie die Klimakrise verlaufen wird. Doch statt zu handeln, hat die ältere
Generation einfach prokrastiniert und Probleme, die unangenehm waren, völlig ignoriert.

Greta Thunberg

“Wir werden sie nicht davonkommen lassen”

Die 16-jährige Klimaaktivistin sprach auf der »Fridays for Future«-Demo in Hamburg vor Tausenden Schülerinnen und Schülern. Ein Ausschnitt aus der Rede

ZEIT:
Herr Puls, haben Sie die Probleme ignoriert?

Jan Puls:
Ich erinnere mich an das Thema Waldsterben Ende der Siebzigerjahre, später dann an die
Debatte um FCKW. Aber ehrlich gesagt haben mich diese Diskussionen nie besonders
beschäftigt. Was bei mir als Otto Normalverbraucher hängen blieb, war: Da kommt eine Krise,
und die wird gelöst.

Renninger:
Genau. Wir dachten, die da oben machen das schon.

Klimaschutz: Leevke Puls, 18, Schülerin; Tochter von Jan Puls

Leevke Puls, 18, Schülerin; Tochter von Jan Puls
© Paula Markert für DIE ZEIT

Leevke Puls:
Ich habe eine Frage an euch. Im April 1986 war doch diese Katastrophe mit dem
Atomkraftwerk.

Puls: Tschernobyl.

Leevke:
Genau. Du, Papa, warst damals ein bisschen jünger als ich heute. Habt ihr das Gefühl,
diese Katastrophe ist euch genauso nahegekommen wie jetzt die Klimakrise uns?

Puls:
Auf jeden Fall.

Renninger:
In eurem Alter sind wir mit der Gefahr von Atomkraft aufgewachsen. Wir hatten diese
Aufkleber: “Atomkraft? Nein danke”. Wir gingen auf Demos. Und ich kann mich noch an die
Warnungen der Eltern erinnern: Ihr dürft nicht mehr im Regen spielen.

Puls:
Ich erinnere mich gut. Sportunterricht draußen, wir laufen. Plötzlich fängt es an zu
regnen. Wir Schüler sind schreiend reingelaufen.

Leevke:
Warum war das nicht der Punkt, an dem ihr gesagt habt: Wir müssen etwas tun, wir müssen
etwas verändern?

Puls:
Weil die Denke war: Okay, wir müssen die AKWs schließen, und das Problem ist weg.

Leevke:
Und dann habt ihr nicht weiter nachgefragt, welche Energieformen wir eigentlich haben und
wie gefährlich die sein könnten?

Puls:
Nein, darauf sind wir nicht gekommen.

Leevke:
Das finde ich bemerkenswert.

Renninger:
Wir sind eben mit der Angst vor einem Atomkrieg aufgewachsen und nicht mit der Angst vor
einer Klimakatastrophe.

Jakob:
Aber damals war doch allgemein bekannt, dass die Welt kaputtgeht, wenn die Menschen keine
Emissionen einsparen und nicht umweltbewusster leben.

Leevke:
Dagegen hättet ihr doch demonstrieren können.

Puls:
Wir haben auch demonstriert.

Renninger:
Ich habe früher Müll gesammelt, war bei Tierschutzaktionen dabei, habe sogar mal einen
Brief an den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker geschrieben. Aber, das muss
ich jetzt auch mal sagen: Damals gab es halt noch kein WhatsApp, kein Facebook. Wir hätten
uns gar nicht so organisieren können, wie ihr das heute tut.

Jakob:
Das ist doch eine Ausrede. Ich telefoniere gerade viel mit Leuten, die damals die
Atomproteste mitorganisiert haben. Früher wurde das über Mailinglisten gemacht, davor über
Telefonketten. Das ging auch. Die fehlende Vernetzung ist kein Argument.

Leevke:
Und Greta Thunberg hat sich am Anfang ganz allein vors schwedische Parlament gesetzt. Da
war sonst niemand.

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