/China: Die Krise ist nicht ohne die USA zu bewältigen

China: Die Krise ist nicht ohne die USA zu bewältigen

In
Peking tagt derzeit der Nationale Volkskongress. An den
Sitzungen des chinesischen Abnickparlaments fällt zweierlei auf. Zum einen: Die Führung hat
gemerkt, dass ihr nationalistisches Auftrumpfen Argwohn und Widerstand auslöst.
Jetzt herrschen leisere Töne vor. Zwar geht Staatspräsident Xi Jinpings
Jahrhundertprojekt, seine weltumspannende Seidenstraßen-Initiative, weiter – aber ohne den bisherigen Propagandawirbel.

Zum anderen: Sein Masterplan Made in China 2025, der die Volksrepublik zur technologischen
Weltmacht erheben soll, wird nicht mehr erwähnt. Dafür stehen jetzt die
wirtschaftlichen Probleme der Volksrepublik im Vordergrund. Denn die
chinesische Wirtschaft ist im Jahr 2017 noch um 6,9 Prozent gewachsen. Im
vergangenen Jahr ging die Wachstumsrate auf 6,6 Prozent zurück, und für 2019
visiert die Regierung nur noch einen Zuwachs um 6,0 bis 6,5 Prozent an. Alle
Welt spricht davon, dass die chinesische Wirtschaft schwächle oder einbreche.

Machen
wir’s halblang. Selbst bei dem verringerten Satz von 6,6 Prozent stieg das
chinesische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2018 um 1,4 Billionen US-Dollar, und zwar von 12,2 auf 13,6
Billionen. Das entsprach der Jahreswirtschaftsleistung von Australien oder dem anderthalbfachen
Bruttoinlandsprodukt der Niederlande. Das Wachstum war viermal höher als das
deutsche und doppelt so hoch wie das US-amerikanische. Abgesehen davon, dass es
ganz normal ist, wenn der BIP-Zuwachs sinkt, je mehr sich eine Volkswirtschaft
entwickelt: Ein Anstieg von sechs Prozent im laufenden Jahr würde bedeuten, dass
sich die chinesische Wirtschaft wiederum um 816 Milliarden Dollar vergrößert.

Die Ungewissheit nimmt zu

Gewiss
steht Chinas Wirtschaft unter Druck und vor vielen Schwierigkeiten – doch wo
wäre das heute anders? Im Übrigen hat die Führung nie ein Hehl daraus gemacht. Xi Jinping nahm schon auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum im Jahr 2017 ausdrücklich darauf
Bezug. Allerdings bezeichnete er die Probleme der Volksrepublik als “zeitweilige
Bedrängnisse, wie sie auf dem Weg nach vorn eben vorkommen”.

Kurz danach zog
Donald Trump ins Weiße Haus ein. Sein Zollkrieg gegen China setzte
unvermeidlicherweise Wachstum, Investitionen und
Beschäftigung dort unter Druck. “Instabilität und Ungewissheit nehmen sichtbar zu”,
sagte Premier Li Keqiang jetzt dem Nationalen Volkskongress, “und die im
Ausland geschaffenen Risiken erhöhen sich.” Tatsächlich steigt die Zahl der Insolvenzen,
eine große Zahl von Firmen erwirtschaftet keine Gewinne mehr und der
Schuldenberg ist höher als jemals in den letzten 20 Jahren.

Indessen
steht die Pekinger Führung nicht zum ersten Mal vor einer ähnlich schwierigen
Lage, und wie noch jedes Mal zuvor reagiert sie ohne Verzug. Die Mehrwertsteuer
wird nun für das verarbeitende Gewerbe von 16 auf 13 Prozent gesenkt, für Bau-
und Verkehrsfirmen sogar auf neun Prozent. Das entlastet die Unternehmen um 295
Milliarden Dollar. Kredite für kleinere Firmen werden um 30 Prozent erhöht. Die Regierung senkt die Autobahngebühren und die Prämien, die Unternehmen in die Sozialversicherung einzahlen, und sie erhöht den staatlichen Zuschuss
zur Gesundheitsversorgung. Zudem dürfen sich die örtlichen Behörden aus einem
Infrastrukturfonds in Höhe von 320 Milliarden Dollar bedienen, das sind 119
Milliarden mehr als 2018. Man darf annehmen, dass diese Maßnahmen
abermals zur Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft führen.

Ein
Wort noch zu dem chinesischen Schuldenberg. Die Gesamtverschuldung von Staat,
staatlichen und privaten Unternehmen, Banken und Privathaushalten beläuft sich
mittlerweile auf 300 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das hat schon mehr als griechische Qualität – aber es sind alles interne Schulden, keine Auslandsschulden. Vor allem aber
darf man nicht vergessen, dass die Chinesen bei einer Sparquote von 37 Prozent (in Deutschland liegt sie bei zehn Prozent) jährlich eine Summe von fünf Billionen Dollar zurücklegen. Die Banken können sie als Kredite zu niedrigen Zinsen für Investitions- oder Konsumzwecke
weitergeben.

Entscheidung im Zollstreit

China
wird sich, das ist ganz natürlich, auf weiter sinkende Wachstumsraten
einstellen müssen. Doch selbst wenn die Wirtschaftsleistung hinfort jährlich lediglich
um sechs oder gar fünf Prozent wachsen sollte, würde sich das Inlandsprodukt bis 2030 verdoppeln. Und bisher hat die
Obrigkeit es noch immer verstanden, mit krisenhaften Erscheinungen
fertigzuwerden, Probleme zu lösen und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Sie wird
auch die jetzt fällige schwierige Transformation bewältigen. “Die Aussichten für
die chinesische Wirtschaft bleiben grundsätzlich günstig”, sagt die Deutsche Bundesbank.

Dem
ist freilich hinzuzufügen: vorausgesetzt, Washington und Peking legen ihren
Zollstreit bei. Eskaliert aber der Handelskrieg, werden sich die
Aussichten für die gesamte Weltwirtschaft verdüstern. Die Entscheidung muss in
den nächsten Wochen fallen.

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