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YouTube: Im Netz der Verschwörungstheorien

Wer auf Google nach “Impfen
MMR” sucht, findet eine Fülle von seriösen Informationen zu dieser Impfung, die Kinder unter anderem vor Masern schützt. Ganz oben der
Wikipedia-Artikel, dann folgt eine Informationsseite des Robert-Koch-Instituts.
Auf der ersten Trefferseite findet sich nicht ein einziger Link zu einer Website von Impfgegnern.

Ganz anders sieht es aus, wenn
man dieselben Begriffe in das Suchfeld von YouTube tippt: Zwar steht auch dort
ganz oben ein seriöser Film der AOK, aber schon an dritter Stelle kommt ein
Filmchen mit dem Titel Aluminium – die
verschwiegene Gefahr beim Impfen.
Und an Nummer sechs ein Clip, der den
längst widerlegten Zusammenhang zwischen Impfen und Autismus propagiert.

Klickt man einen dieser unseriösen
Filme an, dann gerät man in einen regelrechten Strudel von
Verschwörungstheorien, Esoterik und flacher Lebenshilfe: In der rechten
Randspalte nämlich, überschrieben mit dem Hinweis “Nächstes Video”, empfiehlt
YouTube den Zuschauerinnen und Zuschauern eine Reihe weiterer Bewegtbilder. Und
spielt sie auch noch automatisch ab, wenn man nicht auf Stopp drückt. Darunter:
ein Video mit dem Ufopropheten Erich von Däniken, eine alternative Erklärung
für den Einsturz des World Trade Centers am 11. September und die angeblich
wahre Geschichte des Aufstiegs von Angela Merkel.

“Sie kommen, um Informationen zu finden”

YouTube verdient Geld mit der
Propagierung von Verschwörungstheorien und Müllwissenschaft, dieser Vorwurf ist
in den vergangenen Monaten in mehreren Medien erhoben worden. Das allein schon könnte
man mindestens aus ethischer Perspektive verwerflich finden. Doch durch die
Empfehlung dieser Videos verbreiten sich diese Ansichten auch in der
Gesellschaft.

YouTube wurde ursprünglich als
soziales Medium entwickelt, auf dem Hobbyfilmer ihre eigenen Videos für andere
verfügbar machen können. Seit der Gründung hat sich der Charakter der Plattform
aber massiv gewandelt. Heute sind die Filme auf YouTube professionell
produziert, und 21 Prozent der amerikanischen Internetuser nutzen das
Videoportal laut einer
Studie des Pew Research Center
als Nachrichtenquelle. Von den Jugendlichen
unter 21 Jahren sind es sogar ein Drittel. “Die Nutzer besuchen YouTube nicht
nur zur Unterhaltung. Sie kommen, um Informationen zu finden”, sagte Google-Chef
Sundar Pichai im Februar bei einer Telefonkonferenz zu den Quartalszahlen.

Nur sind diese Informationen häufig
von zweifelhafter Qualität. YouTube muss sich nun, ähnlich wie Facebook in den
vergangenen Jahren, vorwerfen lassen, dass es die Desinformation der
Bevölkerung fördert. Auf der Konferenz der amerikanischen Wissenschaftlervereinigung
AAAS im Februar in Washington stellte die Forscherin Asheley Landrum,
Assistenzprofessorin für Wissenschaftskommunikation an der Texas Tech
University, Ergebnisse einer kleinen Studie vor: Sie hatte auf einer
Konferenz von Flat-Earth-Befürwortern Personen befragt, die die
Ansicht vertreten, dass die Erde eine Scheibe sei. 29 davon erzählten, dass sie
erst in den vergangenen zwei Jahren durch das Anschauen von YouTube-Videos zu
dieser Überzeugung gekommen seien. Das Ergebnis dieser nicht repräsentativen
Erhebung unterstützt, was Kritikerinnen und Kritiker schon länger besorgt: YouTubes
Algorithmus zieht Nutzerinnen und Nutzer in ein Netz von Verschwörungstheorien.
Und manche verfangen sich darin, sie finden nicht mehr hinaus.

Ein Beispiel dafür scheint das
Thema Impfen zu sein: In elf US-Bundesstaaten hat es in diesem Jahr schon Masernfälle
gegeben. In einer Anhörung des Handelsausschusses im US-Repräsentantenhaus
machte dessen Vorsitzender, der Demokrat Frank
Pallone, die Internetdienste ausdrücklich mitverantwortlich für die neue
Epidemie: “Ich bin zutiefst besorgt, dass Eltern mit Desinformationskampagnen
überflutet werden, wenn sie ins Netz gehen, um informierte Entscheidungen für
die Gesundheit ihrer Kinder zu treffen.”

Dass YouTube lange nichts gegen
diese Kampagnen unternommen hat, dürfte auch mit dem Geschäftsmodell
zusammenhängen. Genau wie Facebook ist die Videoplattform werbefinanziert. Heißt:
Je mehr Filme die Nutzerinnen anschauen, desto mehr Werbung sehen sie und desto
mehr Geld verdient YouTube damit. Deshalb ist es im Interesse des Unternehmens,
die Zuschauer so lange wie möglich auf der Seite zu halten. Das allein ist noch
nicht schlimm, ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Algorithmus versucht,
den Usern Inhalte anzubieten, die ihren Interessen entsprechen.

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