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Unterhaltsreform: Sollten engagierte Väter weniger Unterhalt zahlen?

Die große Koalition will, dass Väter weniger Unterhalt zahlen müssen, wenn sie ihren Nachwuchs betreuen. Ist das gerecht? Die wichtigsten Fragen und Antworten

Unterhaltsreform: Viele Väter kümmern sich auch nach einer Trennung um ihre Kinder. Unterhalt bezahlen müssen sie dennoch.

Viele Väter kümmern sich auch nach einer Trennung um ihre Kinder. Unterhalt bezahlen müssen sie dennoch.
© Monika Skolimowska/ZB/dpa/dpa

Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat vorgeschlagen, die Erziehungsleistung von Vätern finanziell stärker anzuerkennen. Wer sich nach der Trennung um seine Kinder kümmert, soll bei den Unterhaltszahlungen entlastet werden. Was hätte dieser Vorschlag zur Folge? Wir klären die wichtigsten Fragen.

Was ist geplant?

Es gehe nicht an, “dass der Vater weiterhin den vollen Unterhalt zahlen muss, auch wenn das Kind viel Zeit bei ihm verbringt und sogar ein eigenes Zimmer bei ihm hat”, sagt Familienministerin Franziska Giffey (SPD). “Wir müssen das Recht hier der gesellschaftlichen Realität anpassen.” Schließlich sei es heute, anders als früher, nicht mehr der Normalfall, dass Kinder nach einer Trennung vorwiegend von der Mutter betreut würden. Stattdessen brauche man möglichst viel Flexibilität für verschiedene Betreuungsmodelle. Eine entsprechende Reform war auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart und wird derzeit vom Bundesjustizministerium vorbereitet. Das Familienministerium ist nur mitberatend. Wie genau Betreuungsleistung und Unterhaltszahlung künftig verrechnet werden sollen, ist noch unbekannt.

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Wie ist es heute?

Artikel 6 des Grundgesetzes schreibt vor, dass sich Eltern um ihre Kinder kümmern müssen. Dazu gehört auch, den Lebensbedarf mit finanziellen Mitteln sicherzustellen. Paragraf 1606 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt außerdem, dass derjenige Elternteil, der nicht überwiegend für die Pflege- und Erziehungsarbeit zuständig ist, Geld bezahlen muss. In der Rechtssprache wird das Barunterhaltspflicht genannt.

Entscheidend für die Unterhaltspflicht ist aber, ob die Familie nach der Trennung das sogenannte Residenz- oder Wechselmodell lebt, das Kind also überwiegend bei einem Elternteil lebt oder bei beiden. Ist Ersteres der Fall – das Kind lebt bei der Mutter –, hat der Vater in der Regel nur ein Umgangsrecht. Selbst wenn das Kind an drei von sieben Tagen in der Woche bei ihm wohnt und ein eigenes Kinderzimmer hat, muss er den vollen Unterhalt zahlen. Er kann im Residenzmodell aber einen sogenannten erhöhten Umgang geltend machen, wenn er sich besonders stark an der Erziehung beteiligt. Bisher unterstellen die Familiengerichte, dass er dann Mehrausgaben, zum Beispiel für viele Fahrten zum Kind, hat. Es ist dann möglich, den Unterhalt leicht zu reduzieren.

Ganz anders sieht es beim sogenannten Wechselmodell aus. Dabei wohnt das Kind zu jeweils 50 Prozent bei Mutter und Vater. In diesem Fall entfällt die Unterhaltspflicht. “Dann erbringen die Eltern ihre Unterhaltsverpflichtungen direkt am Kind”, erklärt Markus Witt vom Verein Väteraufbruch für Kinder, der sich für gleichberechtigte Familienmodelle einsetzt. Und noch eine Besonderheit gibt es, wenn sich die Eltern bei der Betreuung abwechseln: Sie haben entsprechend ihrem Einkommen beide anteilig für den Barunterhalt des Kindes aufzukommen (BGH FamRZ 2006, 1017). Das hat zur Folge, dass Väter, die mehr Einkommen als ihre Ex-Partnerin haben, selbst dann noch anteilig Unterhalt zahlen müssen, wenn sie zu 50 Prozent die Betreuung übernehmen. Im Übrigen kann auch die Mutter unterhaltspflichtig sein, wenn der Vater den Großteil der Betreuung übernimmt.

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Wie hoch ist der Unterhalt?

Das regelt die sogenannte Düsseldorfer Tabelle. Sie legt den Unterhaltsbedarf von Kindern im Trennungsfall fest und wird jedes Jahr in Koordinierungsgesprächen zwischen Familienrichterinnen und -richtern und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e. V. sowie aufgrund einer Umfrage bei den Oberlandesgerichten angepasst. Demnach orientiert sich der Anspruch für ein Kind am Einkommen des Unterhaltspflichtigen und am Lebensalter des Kindes.

Bis zu einem Nettoeinkommen von 1.900 Euro werden zum Beispiel bei einem Kleinkind 354 Euro pro Monat fällig, in vier Stufen steigt der Lebensunterhalt bis zum 18. Lebensjahr auf 527 Euro. Wer hingegen bis 5.500 Euro netto an Einkommen hat und unterhaltspflichtig ist, soll nach der Tabelle 567 Euro pro Monat für ein Kind bis fünf Jahre und 844 Euro im Monat für den volljährigen Nachwuchs zahlen, solange dieser noch in der Ausbildung ist und über kein eigenes Einkommen verfügt.

Die Tabelle ist für die Gerichte aber nicht verbindlich, sie ist nur eine Richtlinie. Bei mehreren Kindern werden Abschläge berechnet. Mindestens 1.300 Euro müssen dem unterhaltspflichtigen Elternteil allerdings für sich selbst verbleiben. Das Kindergeld wird auf den zu zahlenden Unterhalt angerechnet, das heißt, der unterhaltspflichtige Elternteil zahlt entsprechend weniger.

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Wie teilen sich Familien die Erziehung im Trennungsfall?

Diese Frage ist nur schwer zu beantworten. Von der Statistik der Familiengerichte erfasst werden nur jene Fälle, in denen über Unterhaltszahlungen für die Kinder gestritten wurde. Die letzte Erhebung stammt aus dem Jahr 2017. Damals mussten die Familiengerichte in knapp 61.000 Fällen über Unterhaltszahlungen entscheiden. Die Zahl der Fälle ist seit 2009 in etwa konstant. Doch viele Paare finden auch ohne eine rechtliche Auseinandersetzung eine Regelung.

Eine Allensbach-Studie ergab 2017, dass gut zwei Drittel der Paare nach einer Trennung ein Modell wählen, in dem die Mutter die Betreuung überwiegend übernimmt. Die Hälfte der befragten Väter gab in dieser Untersuchung aber an, eine gleichberechtigte Aufteilung zu bevorzugen.

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Was spricht gegen die Reform?

In der Regel sind es immer noch eher die Frauen als die Männer, die bei der Geburt eines Kindes ihre Arbeitszeit reduzieren oder auf weitere Karriereschritte verzichten. “In 82 Prozent der Familien sind die Väter die Haupternährer, die Mütter kümmern sich überwiegend um die Kinder”, heißt es etwa in einer Stellungnahme des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Nach einer Trennung haben sie es deswegen schwerer als Männer, für sich und die Kinder zu sorgen, zumal Frauen ohnehin oft in schlechter bezahlten Branchen arbeiten. Und wer einmal seine Arbeitszeit dauerhaft reduziert hat, kann diese danach mitunter nur schwer wieder erhöhen.

Fielen nun auch noch die Unterhaltszahlungen weg, würden viele geschiedene Frauen finanziell deutlich schlechtergestellt, fürchten Kritikerinnen. Die Juristin Maria Wersig macht zudem geltend, dass der Barunterhalt ohnehin zu gering berechnet sei. Werde dieser nun noch reduziert, verschärfe dies die Kinderarmut. Auch der VAMV betont, gekürzt werden dürfe nur, wenn die Mutter durch die zusätzliche Betreuungsleistung des Vaters auch tatsächlich etwas spare. Außerdem brauche es Übergangsfristen, damit Mütter Zeit hätten, sich beruflich wieder zu etablieren.

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