/Türkei: Massiver Eingriff in die Pressefreiheit

Türkei: Massiver Eingriff in die Pressefreiheit

Gegen 15 Uhr hob die Turkish-Airlines-Maschine mit der Flugnummer TK 1723 vom Flughafen in Istanbul ab, an Bord der Tagesspiegel-Korrespondent Thomas Seibert. Seine Maschine landete dann gegen 18 Uhr in Berlin-Tegel, am Flughafen empfingen ihn die beiden Tagesspiegel-Chefredakteure Mathias Müller von Blumencron und Lorenz Maroldt. Kurz zuvor hatte bereits der ZDF-Journalist Jörg Brase das Land verlassen. Beide Berichterstatter mussten gehen, weil ihnen das türkische Präsidialamt die Akkreditierung verweigert hatte und damit auch die Aufenthaltsgenehmigung, bis heute ohne jede Begründung.

Vorausgegangen waren Tage emsiger Diplomatie. Das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium hatten versucht, bei den türkischen Dienststellen eine Revision der Entscheidung zu erreichen – vergeblich. Auch entsprechende Versuche von ZDF und Tagesspiegel hatten keinen Erfolg.

Das Informationsamt im türkischen Präsidialamt hatte Seibert und Brase am 1. März per E-Mail über den Entzug ihrer Arbeitserlaubnis unterrichtet. Auch der NDR-Fernsehjournalist Halil Gülbeyaz erhielt eine Absage. Gründe wurden den drei Journalisten nicht genannt. Kurz darauf tauchte der Pressebotschaftsrat der türkischen Botschaft in Berlin bei der Tagesspiegel-Chefredaktion auf und überbrachte die Forderung, Seibert abzuziehen. Der Tagesspiegel könne dann einen neuen Korrespondenten schicken. Eine entsprechende Forderung ging auch an das ZDF. Eine Begründung wurde nicht genannt. Seibert ist ein ausgewiesener Kenner des Landes und hatte seit 22 Jahren aus der Türkei berichtet, ohne Beanstandung. Tagesspiegel und ZDF lehnten das Ansinnen als Eingriff in die Pressefreiheit ab.

Ziel der türkischen Forderung an den Tagesspiegel und das ZDF war es, auf die Entsendung deutscher Korrespondenten Einfluss zu nehmen und damit die Berichterstattung über das Land in deutschen Medien mitzubestimmen. Einen Versuch, bei Chefredaktionen deutscher Medien die Ernennung neuer Türkei-Berichterstatter durchzusetzen, indem der amtierende Korrespondent aus dem Land geworfen wirft, hat es bisher noch nie gegeben.

Da die Arbeitserlaubnis, die jedes Jahr neu beantragt werden muss, die Grundlage für die Aufenthaltsgenehmigung in der Türkei ist, mussten Seibert und Brase nun das Land verlassen. Gülbeyaz ist davon nicht betroffen, weil er eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für die Türkei besitzt. Susanne Güsten, die zusammen mit Seibert für den Tagesspiegel aus Istanbul berichtet, erhielt vom Informationsamt eine mündliche Zusage für die neue Arbeitsgenehmigung.

Kurz vor dem Abflug aus Istanbul äußerten sich Jörg Brase und Thomas Seibert zum Entzug ihrer Arbeitsgenehmigungen. “Wir warten bis heute auf die Gründe für die Entscheidung, unsere Arbeitserlaubnisse nicht zu verlängern”, sagte Brase. “Ich persönlich kann mir keinen triftigen Grund vorstellen, warum unsere Arbeitserlaubnisse nicht verlängert wurden.” Beide Journalisten kündigten an, weiter über die Türkei berichten zu wollen. “Wir werden da weitermachen, von wo auch immer”, sagte Thomas Seibert.

Die versuchte Gängelung deutscher Medien durch die Türkei hat nun erneut für schwere Verwerfungen in den Beziehungen zwischen beiden Ländern gesorgt. Im Interview mit dem Tagesspiegel sagte Bundesaußenminister Heiko Maas zum Entzug der Arbeitsgenehmigungen, es sei “nicht akzeptabel”, wenn deutsche und europäische Korrespondenten ihrer Arbeit in der Türkei nicht frei nachgehen könnten: “Wenn Journalisten an der Arbeit gehindert werden, ist das mit unserem Verständnis von Pressefreiheit nicht vereinbar.” Die Bundesregierung werde weiter dafür eintreten, dass Journalisten in der Türkei “ohne Beschränkungen” arbeiten können. Das wisse auch sein türkischer Kollege, Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu.

Hits: 12