/Pressefreiheit: Auswärtiges Amt verschärft Reisehinweise für die Türkei

Pressefreiheit: Auswärtiges Amt verschärft Reisehinweise für die Türkei

Weil die türkischen Behörden mehreren deutschen Korrespondenten keine neuen
Arbeitserlaubnis ausgestellt haben, hat das Auswärtige Amt am
Samstag die Reisehinweise für die Türkei verschärft und vor
Verhaftungen gewarnt. “Es kann […] nicht ausgeschlossen werden,
dass die türkische Regierung weitere Maßnahmen gegen Vertreter
deutscher Medien sowie zivilgesellschaftlicher Einrichtungen
ergreift”, heißt es jetzt in den Reisehinweisen. “Äußerungen,
die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit
gedeckt sind, können in der Türkei zu berufsbeschränkenden
Maßnahmen und Strafverfahren führen.”

Eine
Sprecherin des Außenministeriums bestätigte die Änderung. Die
Reise- und Sicherheitshinweise würden fortlaufend an aktuelle
Entwicklungen angepasst. “Die Hinweise für die Türkei wurden
heute aktualisiert”, sagte sie. In den Hinweisen wird jetzt darauf
verwiesen, dass mehreren europäischen, darunter deutschen
Journalisten, die Akkreditierung in der Türkei ohne Angabe von
Gründen verweigert wurde
.

Maas: “Mit unserem Verständnis von Pressefreiheit nicht vereinbar”

Außenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte den Entzug der Arbeitserlaubnis scharf. Es sei nicht akzeptabel, wenn deutsche
und europäische Korrespondenten ihrer Arbeit in dem Land nicht frei
nachgehen könnten, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. “Wenn
Journalisten an der Arbeit gehindert werden, ist das mit unserem
Verständnis von Pressefreiheit nicht vereinbar.” Die Bundesregierung
werde weiter dafür eintreten, dass Journalisten in der Türkei ohne
Beschränkungen arbeiten können. Das wisse auch sein türkischer Kollege Mevlüt Çavuşoğlu.

Aus
Regierungskreisen erfuhr die Zeitung außerdem, Deutschland werte es als Affront, dass mehrere deutsche Journalisten faktisch außer Landes
gezwungen werden. Man werde die Angelegenheit nicht auf sich beruhen
lassen, sondern immer wieder zur Sprache bringen.

Die
türkischen Behörden hatten unter anderen dem ZDF-Studioleiter in
Istanbul, Jörg Brase, und dem Korrespondenten Thomas Seibert, der unter
anderem für den Tagesspiegel berichtet, keine neuen Pressekarten für
das laufende Jahr erteilt. Eine solche Akkreditierung ist Voraussetzung, damit ausländische
Journalisten in der Türkei arbeiten dürfen. Laut Tagesspiegel werden
Brase und Seibert daher voraussichtlich am Sonntag die Türkei verlassen. Außerdem warten zwei Monate nach Ablauf der alten Pressekarte zum
Jahreswechsel noch etwa 80 ausländische Journalistinnen und Journalisten in der Türkei
auf die neue Akkreditierung, wie aus informierten Kreisen verlautete.
Unter ihnen sind viele Deutsche. Mehrere
Journalistenorganisationen hatten das Vorgehen der türkischen Behörden
kritisiert.

Auch nicht-öffentliche “Likes” können zu Festnahmen führen

In den Reisehinweisen wird weiterhin betont, dass die Türkei
ein beliebtes Reiseziel sei, “das Touristen grundsätzlich
herzlich und offen empfängt”. Zudem warnt das Auswärtige Amt
aber davor, dass deutsche Staatsangehörige schon wegen
regierungskritischer Stellungnahmen in sozialen Medien
festgenommen worden seien. Hintergrund sei teilweise der Verdacht auf
Kontakte zu der in der Türkei als terroristisch eingestuften
Gülen-Organisation. Das Auswärtige Amt verweist auf
Aussagen des türkischen Innenministers, wonach Urlauber
festgenommen werden könnten, die im Ausland an Versammlungen von
in der Türkei verbotenen Organisationen teilgenommen
haben.

Für eine Verhaftung reiche schon das Teilen oder
“Liken” eines fremden Beitrags, betont das Auswärtige Amt. “Es muss davon ausgegangen
werden, dass auch nichtöffentliche Kommentare in sozialen Medien
etwa durch anonyme Denunziation an die türkischen
Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden.” Betroffen sein
könnten etwa deutsche Staatsangehörige mit engen privaten und
persönlichen Bindungen in die Türkei sowie Menschen, die neben
der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzen,
warnt das Auswärtige Amt. 

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht die Türkei
auf Platz 157 von 180 Ländern. In den vergangenen Jahren wurden immer
wieder europäische Journalisten unter “Terrorverdacht” festgenommen,
darunter der Welt-Korrespondent Deniz Yücel und die Journalistin Meşale Tolu.

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