/Paritätsgesetz: “Der Staat muss die Durchsetzung der Gleichberechtigung fördern”

Paritätsgesetz: “Der Staat muss die Durchsetzung der Gleichberechtigung fördern”

Sollen auf den
Wahllisten der Parteien genauso viele Frauen wie Männer stehen? Das schlagen die
Hamburger Grünen vor, sie wollen so mehr Frauen in die Politik bringen – derzeit vertreten
in der Bürgerschaft nämlich 46 Frauen und 75 Männer die Interessen der Hamburgerinnen und Hamburger.
In den Bezirksversammlungen ist die Quote teilweise noch schlechter. CDU, FDP und
AfD sind strikt gegen ein Paritätsgesetz: Das Geschlecht spiele schon lange
keine Rolle mehr bei Wahlen, durch Zwang überzeuge man Frauen nicht von der
Politik. Die SPD hat lange gezögert, nun plädiert die Partei ebenfalls für
eine gesetliche Regelung – aber erst in der nächsten Legislaturperiode. Warum
nicht gleich? Und wieso dann überhaupt? Das haben wir Gabi Dobusch gefragt, die
gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

ZEIT ONLINE:
Warum brauchen wir in Hamburg ein Paritätsgesetz?

Gabi Dobusch: In
vielen Parlamenten war die Zahl der Frauen in den vergangenen Jahren
rückläufig, hier in Hamburg ist das glücklicherweise nicht so. Nichtsdestotrotz
sind wir daran interessiert, dass die Beteiligung von Frauen in den Parteien
weiter vorangeht und auch gesichert wird. Insgesamt sind wir in der Politik
noch nicht so weit, wie wir sein sollten. Das Grundgesetz sagt: Der Staat
fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung und wirkt auf die
Beseitigung bestehender Nachteile hin. Das haben wir in Hamburg ernst genommen,
etwa mit dem Gremienbesetzungsgesetz. Wir sorgen dafür, dass in den
Aufsichtsräten, für die die Stadt Mitglieder benennt, der Anteil der Frauen
steigt. Im Parlament aber gibt es noch Luft nach oben. Davon, dass Frauen und
Männer wirklich gleichberechtigt tätig sind, sind wir noch ein gutes Stück
entfernt.

Gabi Dobusch

Gabi Dobusch ist gleichstellungspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten in der Hamburgischen Bürgerschaft. Ihr Wahlkreis liegt in Altona.
© www.gabi-dobusch.de

ZEIT ONLINE:
Schon mit dem derzeitigen Wahlsystem könnten die Hamburger, wenn sie wollten, ausschließlich Frauen ins
Parlament wählen. Reicht das nicht?

Dobusch: Zum
einen gehen die Parteien sehr unterschiedlich damit um, wie viele Chancen sie
Frauen einräumen. Zum anderen kann nicht jeder Wähler und jede Wählerin einschätzen,
was die einzelne Stimme am Ende praktisch bewirkt. Das komplizierte Hamburger
Wahlrecht macht es sehr schwer, das im Vorhinein zu beurteilen. Aber das ist
nur ein Nebenargument. Wenn wir tatsächlich erreichen wollen, strukturell
bedingte Benachteiligung abzubauen, um die Zugänge zu politischer Partizipation
und Führungsmacht fair zu gestalten, müssen wir den Auftrag des Grundgesetzes
ernst nehmen. Das heißt, der Staat muss die Durchsetzung der Gleichberechtigung
fördern. Da können Geschlechterquoten in den Wahlgesetzen ein Weg sein, um
nachzuhelfen.

ZEIT ONLINE:
Können Männer nicht ebenso gut Anliegen vertreten, die Frauen betreffen?

Dobusch: Ich bin
wirklich nicht der Ansicht, dass angebliche Frauenthemen nur von Frauen
vertreten werden sollten. Es geht mir auch gar nicht darum, dass wir ein
zweigeteiltes Parlament haben sollten, wo sozusagen die pinken Sitze an die
Frauen gehen und die blauen an die Männer. Aber um die verschiedenen
Perspektiven zusammenzubringen, braucht man ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen Frauen und Männern. Ich bin der festen Überzeugung, dass gewisse
Politikfelder besser bearbeitet werden können, wenn aus verschiedenen
Perspektiven draufgeguckt wird. Diversität hilft, um Probleme zu lösen.

ZEIT ONLINE: Wo
bleiben bei der Debatte um eine Frauenquote diejenigen, die sich weder als
Frauen noch als Männer einordnen lassen wollen?

Dobusch: Ein
konkreter Vorschlag, den ich ganz charmant finde, ist, dass Kandidierende frei
wählen können, wo sie sich zuordnen. Ich bin eine Befürworterin von wirklich
gemischten Teams. Daraus verstehe ich nicht nur eine Mischung aus Frauen und
Männern. Aber in dieser Debatte bleibe ich auf dem Boden des Grundgesetzes, so
wie es im Moment formuliert ist. Und da ist von der Gleichberechtigung von Frauen
und Männern die Rede. Das ist es, was uns aufgetragen wird und wo der Staat
bisher noch nicht eindrücklich genug auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hingewirkt hat. Dazu gehört auch, dass die Lastenverteilung ungleich ist.
Unbezahlte Pflege- und Hegearbeit liegt immer noch hauptsächlich bei den
Frauen. Es ist unstrittig, dass ihnen das politische Engagement auch deshalb
schwererfällt als Männern.

ZEIT ONLINE: Was
würde eine paritätische Besetzung von Wahllisten daran ändern?

Dobusch: Durch
solche Gesetze ändert sich die politische Kultur. Das wissen wir aus anderen
EU-Staaten, wo es schon Regelungen zur Parität gibt. Dann finden etwa Sitzungen
zu anderen Terminen statt oder enden pünktlich. Die Entscheidungen fallen nicht
mehr spätabends, in der Kneipe oder beim Fußballspiel, wo Frauen oft nicht
dabei sind. Auch in Hamburg haben Änderungen im Wahlrecht schon oft die Kultur
in den Parteien beeinflusst.

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