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Elizabeth Warren: Die linke Außenseiterin

Die Lagerhalle in Long Island City hat Elizabeth Warren nicht zufällig für ihren Wahlkampfauftritt
gewählt. Hier, im Westen des New Yorker Stadtteils Queens, haben Bürger und
Lokalpolitiker Mitte Februar verhindert, dass der unbeliebte Versandkonzern
Amazon ein weiträumiges neues Hauptquartier errichtet
.

Einen knappen Monat später hat die linke Senatorin Warren an diesem Freitagabend eine präzise auf
das Publikum zugeschnittene neue Wahlkampfforderung im Gepäck. “Es ist Zeit,
Amerikas Tech-Riesen zu zerschlagen”, ruft Warren, kurz nachdem sie im lilafarbenen
Jackett die Bühne betreten hat. Die großen Internetkonzerne wie Google und
Amazon sollen Tochterkonzerne verkaufen, fordert Warren, die sich um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bewirbt. Facebook solle zum
Beispiel den Nachrichtendienst WhatsApp abstoßen. Amazon solle sich nicht
länger gleichzeitig als Plattform und als Dienstleistungsanbieter am eigenen
Marktplatz betätigen können.

Diese Forderung kommt
erwartungsgemäß gut an beim Publikum in Queens – viele US-Amerikaner stehen der
Macht der großen Internetkonzerne wie Google, Facebook und Amazon immer
kritischer gegenüber. Auch der Kongress diskutiert derzeit, wie der
Einfluss der Tech-Riesen kartellrechtlich eingeschränkt werden kann.

Etwa tausend Menschen
sind gekommen, um Warren sprechen zu hören. Das sind weit weniger als die
13.000 Anhänger, die Bernie Sanders, Warrens linker Konkurrent um die
Nominierung der Demokraten, am vergangenen Wochenende in den Innenhof des
Brooklyn College locken konnte. Auch in den Umfragen liegt Warren weit
abgeschlagen hinter Sanders und Ex-Vizepräsident Joe Biden, der mit hoher
Wahrscheinlichkeit ebenfalls kandidieren wird. Doch Warren macht das Beste
aus ihrer Außenseiterrolle. “Wir werden heute Spaß haben”, sagt die 69-Jährige
energiegeladen und kündigt an, dass jeder Fragen stellen könne. “Danach machen
wir Fotos und ich bleibe so lange, wie ihr wollt.”

Dann folgt ein
schneller Abriss aller Forderungen, mit denen die ehemalige Harvard-Professorin
die Wähler auf ihre Seite ziehen will. Strengere Antikorruptionsgesetze für
Washington, höhere Steuern für Menschen, die mehr als 50 Millionen US-Dollar
besitzen, und 15 Dollar Mindestlohn. Die Forderungen klingen zwar zunächst
träumerisch, doch wer Warren kennt, weiß, dass jede von ihnen bis ins kleinste
Detail durchdacht ist. Warren gilt als akribische Arbeiterin, die mit
überlegten Vorschlägen die materielle Lebenssituation von Arbeitern, vor allem
auch von Frauen und Minderheiten, verbessern will.

Von oben nach unten verteilen

Das unterscheidet sie
von vielen urbanen Linken in den USA, die ihr Hauptaugenmerk oft eher auf symbolische Diskriminierungen richten, die mit den materiellen Lebensrealitäten verarmter Minderheiten wenig
zu tun haben. Warren referiert dagegen in Queens kenntnisreich und gut nachvollziehbar,
wie die faktische Benachteiligung von Afroamerikanern auf dem Immobilienmarkt seit
Jahrzehnten von Regierungen und Banken vorangetrieben wurde – und wie das
Problem zu lösen ist. Ihr Wahlprogramm ist von der Auffassung getrieben, dass
es auch in einem Amerika ohne Donald Trump große Anstrengungen braucht, um soziale Gerechtigkeit zu erlangen, und dass die innergesellschaftlichen Konflikte ohne eine weitreichende
Umverteilungspolitik von oben nach unten nicht zu lösen sind.

Unter den
demokratischen Hoffnungsträgern für die Wahl 2020 dürfte sie die akademisch und
inhaltlich am besten qualifizierte Kandidatin sein. Vor allem mit den Tücken
des US-Finanzsystems kennt sich Warren so gut aus wie kaum jemand im
Washingtoner Politikbetrieb. In Harvard galt sie als führende Expertin für Insolvenzrecht
und Bankenregulierung. Nach der Finanzkrise berief der Kongress Warren deshalb
in das parlamentarische Kontrollgremium, das die Maßnahmen der US-Regierung
gegen die Finanzkrise überwachte. Ab 2010 arbeitete sie federführend an der
Ausgestaltung der Verbraucherschutzbehörde für Finanzprodukte (CFPB) mit. Und auch wenn die Obama-Administration sie nicht gegen den massiven Widerstand von Wall-Street-Unternehmen und Republikanern zur Chefin der Behörde machte: Warren hatte maßgeblichen Anteil daran, dass die CFPB jene Banken,
die Kunden betrogen hatten, zur Zahlung von dreistelligen Millionenbeträgen verdonnerte. Seitdem gilt Warren als Wall-Street-Schreck.

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