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Meinungsfreiheit in den USA: Ab und zu knallt es eben

Mindestens drei Handyvideos zeigen den Vorfall, über den konservative Medien in den USA seit Wochen berichten. Am 19. Februar verteilt der Aktivist Hayden Williams für die rechtspopulistische Jugendorganisation Turning Point an der kalifornischen Berkeley-Universität Flyer, als ein Mann in schwarzem T-Shirt ihn attackiert. “Du rassistische Drecksau”, schreit der Mann. Kurz darauf holt er aus und schlägt Williams mit der Faust ins Gesicht. Fluchend verlässt er die Szene.

Seitdem laufen die Videos auf rechten Webseiten und dem TV-Sender Fox News in Dauerschleife. Der Vorfall gilt ihnen als letzter Beleg dafür, dass konservative Stimmen an den Universitäten des Landes unterdrückt werden. Auch Donald Trump hat sich mittlerweile in die Debatte eingeschaltet und mit Williams am vorigen Wochenende bei einer Rede in Maryland die Bühne geteilt. Dort kündigte der US-Präsident an, ein Dekret zu erlassen, dass Universitäten die öffentliche Forschungsförderung entzieht, wenn diese “nicht die freie Rede” unterstützen: “Wenn sie unser Geld haben wollen, müssen sie Menschen wie Hayden erlauben zu sprechen.”

Der Vorfall in Berkeley ist der aktuellste einer Reihe prominenter Fälle, in denen konservative Aktivisten in den vergangenen Jahren körperlich attackiert oder Veranstaltungen behindert wurden. Gerade die Universität in Berkeley war schon mehrfach Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Aktivisten. Bereits Anfang 2017 protestierten mehr als 1.500 Studenten gegen den antifeministischen Kommentator Milo Yiannopoulos, der im Rahmen seiner “Gefährliche Schwuchtel”-Tour in Berkeley eine Rede halten sollte. Etwa 150 Antifa-Aktivisten lieferten sich vor der Veranstaltung gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Yiannopoulos’ Rede musste abgesagt werden. Im Nachgang wurde wegen Sicherheitsbedenken eine Rede der konservativen Kolumnistin Ann Coulter abgesagt.

“Tief traumatisierend”

Während Coulter und Yiannopoulos in der Tat extrem rechte und kontroverse Positionen vertreten, ist der Anstoß für heftige Proteste oft gering. Das bekamen 2015 zum Beispiel die beiden Yale-Professoren Nicholas und Erika Christakis zu spüren. Ihr Vergehen: Nachdem die Universitätsleitung kurz vor Halloween den Studenten nahegelegt hatte, keine politisch unkorrekten Kostüme zu tragen, merkte das Ehepaar Christakis öffentlich an, dass jeder das Recht auf freie Entfaltung habe und die Studierenden etwaige Konflikte auch untereinander lösen könnten. Beide wurden daraufhin wochenlang von Studenten belästigt. Nicholas Christakis wurde auf dem Campus von Studenten umringt, die ihm unterstellten, er würde einen “Raum für Gewalttaten” schaffen. 

Aktuell fordert eine Gruppe von Studenten der Harvard-Universität, den Rechtsprofessor Ronald Sullivan als Dekan eines Studentenwohnheims abzusetzen. Sullivan kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte von Afroamerikanern in Strafprozessen und hat in seiner Karriere die Freilassung von mehr als 6.000 unschuldig verurteilten und oft mittellosen dunkelhäutigen Klienten bewirkt – ohne Bezahlung.

Seine studentischen Kritiker wollen ihn trotz dieser Verdienste loswerden, weil er den der Vergewaltigung beschuldigten Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein als Anwalt vertritt und seine Entscheidung öffentlich verteidigt. In einem Artikel für die Unizeitung Harvard Crimson schrieben zwei Studenten, dass es für die Opfer sexueller Gewalttaten in der Fakultät “tief traumatisierend” sein könne, durch Sullivans Engagement täglich an den Weinstein-Fall erinnert zu werden.

Überschaubare Zahl an Konflikten

Der Verweis auf etwaige Traumata ist ein häufig vorgebrachtes Argument gegen politische Gegner – oder jene, die man dafür hält. Mit ihren Thesen würden konservative Redner “Hass anstacheln”, lautet ein weiterer regelmäßiger Vorwurf. Allerdings werden durch derlei unspezifische Anschuldigungen Menschen wie die Eheleute Christakis und eher libertäre Denker wie der kanadische Psychologe und Bestsellerautor Jordan B. Peterson mit überzeugten Neonazis wie zum Beispiel Richard Spencer gleichgesetzt, gegen dessen Auftritt an der University of Michigan Studenten im vergangenen Jahr teils gewalttätig demonstrierten.

Oft gehen die Aktionen von studentischen Gruppen aus, in einigen Fällen beteiligte sich jedoch auch das Lehrpersonal. Sind die großen Universitäten deshalb eine Art No-go-Area für Konservative? Dieser Annahme widerspricht das Free Speech Project der renommierten Georgetown-Universität. Die Forscher registrierten – allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit – in den vergangenen zwei Jahren 116 Kontroversen rund um das Thema Meinungsfreiheit an höheren Bildungseinrichtungen. Darunter fallen aber nicht nur Proteste gegen Redner, sondern auch Vorfälle, bei denen Dozenten wegen kritischer Äußerungen suspendiert wurden. Ingesamt gibt es in den USA mehr als 4.000 höhere Bildungseinrichtungen – die Zahl der Vorfälle ist also überschaubar.

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