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Wirecard: Wie viel Luft steckt in Wirecard?

Wäre da nicht das “Project Tiger”, Markus Braun könnte zufrieden sein. Der
Chef des Digitalkonzerns Wirecard
aus Aschau bei München hat ein Jahr hinter sich, wie es
besser kaum hätte sein können. Im August ließ Wirecard beim Börsenwert die Deutsche Bank
hinter sich. Ende September stieg der Konzern in den Deutschen Aktienindex (Dax) auf und
ersetzte damit die Commerzbank. Zum Ende des Geschäftsjahres 2018 meldete Wirecard dann ein
vorläufiges Rekordergebnis: Der Umsatz war um sagenhafte 40 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro
gestiegen, der Gewinn um 38 Prozent auf 568,3 Millionen Euro.

Braun hat geschafft, was nur wenigen Managern in Deutschland gelungen ist: Er hat ein weltweit tätiges Digital-Unternehmen groß gemacht, und das auch noch in einer relativ jungen Branche – Wirecard wickelt Zahlungen per Kreditkarte, PayPal oder anderen Internet-Verfahren ab.

Doch wie man heute weiß, gab es im vergangenen Jahr auch Probleme. Im Frühjahr gab es Vorwürfe, dass die nach außen kommunizierten Zahlen möglicherweise doch nicht so gut waren wie diejenigen, die in den Büchern standen.

Das legt eine Präsentation mit dem ominösen Namen “Project Tiger” nahe, die ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung von Wirecard in Singapur im Mai 2018 erstellt hat. Sie liegt der
ZEIT
vor und beschreibt, wie in Asien Mitarbeiter von Wirecard offenbar Verträge und Rechnungen gefälscht und so möglicherweise fiktive Umsätze erzielt haben.

Grundlage der Präsentation ist der vorläufige Bericht einer Anwaltskanzlei, deren Juristen die Vorwürfe eines internen Informanten im Auftrag von Wirecard untersucht haben. Als “vorläufig” wird der Bericht bezeichnet, weil empfohlen wird, eine weitere Untersuchung folgen zu lassen. Wirecard bezeichnet den Bericht als veraltet und hält die darin geäußerten Vorwürfe für “halt- und substanzlos”, wie das Unternehmen mitteilt.

Als Ende Januar die
Financial Times
das Project Tiger und die Untersuchung der Anwälte öffentlich machte, verlor die Aktie des Unternehmens binnen Minuten an Wert. Bei Redaktionsschluss der
ZEIT
am Dienstagabend lag sie noch immer um etwa 28 Prozent unter dem Wert von Ende Januar. Der Fall hat die Anleger bislang mehrere Milliarden Euro gekostet. Auch Braun selbst ist davon betroffen, er ist nicht nur der Chef, sondern auch der größte Einzelaktionär von Wirecard.

Der Wirecard-Chef sieht Spekulanten am Werk, die auf fallende Kurse wetten

Seit Ende Januar hat die Wirecard-Aktie rund 28 Prozent an Wert verloren.

Quelle: Thomson-Reuters © ZEIT-Grafik

Es geht um mehr als nur um einen möglichen Buchhaltungsskandal bei einem Unternehmen. Schließlich sind viele Kleinsparer und Anleger betroffen. Seit der Aufnahme in den Dax zählt Wirecard neben Konzernen wie Bayer, Daimler und Siemens zu den 30 bedeutendsten börsennotierten Unternehmen in Deutschland, in die fast alle großen Fonds investieren. Es spielt deshalb eine große Rolle, ob Wirecard korrekte Zahlen veröffentlicht hat.

Vorstandschef Markus Braun reagierte auf die Artikel der
Financial Times
mit Angriff. Er sieht Spekulanten am Werk, die auf fallende Aktienkurse wetten und dafür schlechte Nachrichten über das Unternehmen streuen. Der Bericht der Kanzlei aus Singapur sei nur in Umlauf gebracht worden, um den Börsenkurs zu manipulieren, teilt Wirecard mit. Das Unternehmen hat bei der Staatsanwaltschaft München Strafanzeige gegen unbekannt wegen Marktmanipulation erstattet. Weiter prüfe es, die
Financial Times
zu verklagen.

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