/“Beale Street”: Liebe hat uns hierhergebracht

“Beale Street”: Liebe hat uns hierhergebracht

Das
letzte Mal, als Barry Jenkins einen Film gedreht hat, gewann er drei
Oscars
, einschließlich jenem für den Besten Film. Zwei Jahre nach Moonlight
kehrt er nun zurück mit der Verfilmung eines Romans von James Baldwin,
einem der profiliertesten afroamerikanischen Intellektuellen der
Bürgerrechtsbewegung. Schwer vorstellbar, dass irgendjemand qualifizierter für eine solche Adaption sein könnte als Jenkins. Immer wieder hatte er betont, dass
sein Film Moonlight
über einen homosexuellen schwarzen Jungen in Miami ohne Baldwin
nicht möglich gewesen wäre.

Baldwin,
der eine schwierige Kindheit in Harlem gehabt hatte und der, wie sich
später herausstellte, schwul war, blieb sein Leben lang ein dem Leben
und der Liebe zugewandter Romantiker – auch dann, wenn er mit Gott
und Amerika haderte. Und so ist es naheliegend, dass sich Barry
Jenkins, ein Liebeskrieger, für die Verfilmung von Baldwins
vorletztem Roman Beale
Street Blues

von 1974 entschieden hat, der Geschichte einer jungen Liebe, die vom
systemischen Rassismus in Amerika auf eine schwere Probe gestellt wird.

In einer Szene erinnert sich die Hauptfigur Tish (Kiki Layne) an jenen Moment,
in dem sie sich in Fonny, ihren Freund seit Kindheitstagen, verliebt
hat. “Ich verstand schließlich”, denkt sie, “dass er
die schönste Person war, die ich in meinem ganzen Leben gesehen
habe.” Das ist es, was Barry Jenkins, gemeinsam mit seinem
außergewöhnlichen Kameramann, James Laxton, in dieser
Literaturverfilmung schafft: Er betrachtet die Menschen, so wie James Baldwin, aus seinem Herzen.

Die
beiden jungen Liebenden im Kern der Geschichte, gespielt von Layne und Stephan James, leuchten. Das ist wirklich das passendste Wort,
sie zu beschreiben. Wir sehen sie gleich am Anfang aus der Luft unter
schimmernden goldenen Blättern einen Fluss entlangschlendern. Vom ersten Moment an, in dem sie ins Bild geraten, gibt
es eine Wärme in Bezug auf die Art und Weise, wie sie miteinander
verbunden sind. Nicht nur, weil sie Hand in Hand gehen oder weil
Geigen spielen, sondern auch, weil die Farben ihrer Kleidung
aufeinander abgestimmt sind. Sein gelb-oranges Hemd passt zu ihrem
hellgelben Mantel, und beide passen zu den herbstlichen Blättern auf
dem Baum über ihnen. Wenn sie sich gegenseitig betrachten, dann sind
ihre Augen voll jener Aufregung, wie sie nur die erste Liebe mit sich
bringt. Wir verlieren uns in ihnen, so wie sie ineinander verloren
sind.

Wäre er weiß, gäbe es keinen Fall

Dann
hören wir in einem Hintergrundkommentar, den Jenkins während des
gesamten Films verwendet, wie Tish sagt: “Ich wünsche echt
niemandem, dass er denjenigen, den er liebt, durch eine Scheibe angucken
muss.” Die
neunzehnjährige Tish erzählt den Film, der Anfang der Siebzigerjahre in
Harlem spielt. Sie hat gerade erfahren, dass sie ein Baby bekommen
wird. Aber die glückliche Nachricht erhält der Vater des Kindes
durch mehrere Zentimeter dickes Glas. Fonny sitzt im Gefängnis, weil ihm
ein weißer Polizist (Ed Skrein) aus schlichter Bosheit eine
Vergewaltigung an einer puerto-ricanischen Frau (Emily Rios)
angehängt hat. Tish ist schwarz, genauso wie Fonny. Wäre er weiß, gäbe es gar keinen Fall. Die Anklage hat es geschafft,
alle Zeugen, die für Fonny aussagen sollten, einzuschüchtern. Tishs
Mutter Sharon (die großartige Regina King, die für ihre Nebenrolle einen Oscar erhielt) fliegt irgendwann sogar nach Puerto Rico, um das angebliche Opfer Fonnys aufzuspüren. Ernestine (Teyonah Parris) ist ein Leuchtfeuer
schwesterlicher Fürsorge und Tishs Vater Joseph (Colman Domingo)
kämpft bis über die Grenzen der Legalität hinaus, Geld für Fonnys Anwalt (Finn Wittrock) zusammenzukratzen.

Die
Welt von Barry Jenkins stimmt nicht genau überein mit der Beschreibung von
James Baldwins New York, einer “Mülldeponie”, “mit
Ratten so groß wie Katzen, Kakerlaken so groß wie Mäuse”. Der
Roman, den Baldwin im selbst gewählten Exil in Südfrankreich
schrieb, beschreibt auch Harlem als Viertel, in dem arme Schwarze leben.
“New York ist garantiert die hässlichste und dreckigste Stadt
der Welt”, steht dort. Im Gegensatz dazu verherrlicht Jenkins
die Stadt bewusst. Es gibt kaum eine Szene, die nicht
strahlt wie jene, in der Tish und Fonny unter einem leuchtend roten
Regenschirm spazieren gehen. Die Bilder sind so schön, dass
man in sie hineinkriechen will, um darin zu leben, selbst auf die
Gefahr hin, von ihrer Melancholie verschluckt zu werden.

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