/Onlinedating: Bin ich denn hier bloß die Wiedervorlagefrau?

Onlinedating: Bin ich denn hier bloß die Wiedervorlagefrau?

Man trifft sich immer zweimal im Leben. Das ist natürlich einer der abgewetztesten Sprüche überhaupt – aber er passt überraschend gut zum Onlinedating. Vielleicht schon mal, weil es da ohnehin von Klischees nur so wimmelt. Vor allem aber, weil manche Menschen dort immer wieder aufpoppen in den Suchmasken. Sogar öfter als zweimal, viel öfter, gefühlt täglich – wie in einer Zeitschleife nach Art des Films Und täglich grüßt das Murmeltier. Nur leider ohne den legendären Dialog dort: “Haben Sie manchmal Déjà-vus?” – “Oh, da müsste ich erst mal in der Küche nachschauen.”

Mein Account bei OkCupid dümpelt seit einiger Zeit nur noch vor sich hin, ich habe ein bisschen den Elan verloren, denn viel tut sich nicht. Die Vorstellung, dass es beim Onlinedating zugeht wie auf dem Isemarkt, dem Viktualienmarkt oder dem Winterfeldtmarkt, ist nämlich stark überzogen. Nach Gelegenheitssex oder Beziehungsmaterial im Internet zu suchen, eröffnet einem keinen Wochenmarkt mit feucht glänzender, taufrischer Ware, die immer wieder neu nachgelegt wird, noch knackiger als zuvor. Nein, wer selbst schon ein paar Dellen aufweist wie ich, der findet dort auch eher die matschigen Stellen. Von immer demselben Obst, nach dem Motto: Wollen’se nicht doch? Fehlte bloß noch, dass bei langer Verweildauer der Preis herabgesetzt wird. Wobei, zwei für den Preis von einem? Ist ja mal eine Überlegung wert, wenn Nachschub ausbleibt.

Jedenfalls trifft man dort nach einer gewissen Zeit der Zugehörigkeit immer wieder dieselben Leute. Nein, ich bin immer noch keine dominante Schuhfetischistin, auch beim fünften Mal Nachfragen nicht. Wahrscheinlich müsste ich für einen fresh start mal auf ein anderes Portal wechseln, zu Finya beispielsweise, wo tendenziell eher robuste Realisten mit vernünftigen Büroberufen zu finden sind als feinsinnige Akademiker mit prekären Projektverträgen. Oder zu Gleichklang, wo man nach umweltbewussten, authentischen Gleichgesinnten suchen kann. Da war ich aber noch nie. Schon weil es so lästig ist, immer wieder neue Profile mit unendlich vielen Detailfragen auszufüllen: “Wie wichtig ist Sex für dich?”, “Suchst du den Mann für eine Nacht oder den Mann fürs Leben?”, “Was ist mit Kochen?” und so weiter.

Eine Zeitlang habe ich dort nun schon nicht mehr gesucht und deswegen auch nichts gefunden. Keiner schreibt, ich schreibe auch nicht. Mein Profil besuchen nur Männer, die ich schon öfter von Weitem gesehen habe – da können die auch bleiben. Nein, ich bin wirklich immer noch keine dominante Schuhfetischistin. Deshalb bin ich recht erfreut, als ich Post von Nuitnoire24 alias Frédéric bekomme. Er stellt sich als Franzose in Berlin vor und malt mir aus, was er mit einem Körbchen reifer Erdbeeren und mir alles anstellen würde. Ich habe gerade eine gewisse Vorfreude entwickelt, befeuert von seinem charmanten Ton, als es mir dämmert: Das mit dem Obst lese ich nicht zum ersten Mal! Und tatsächlich, Frédéric ist der Franzose mit den Brombeeraugen, mit dem ich vor anderthalb Jahren mal eine lange Sommernacht verbracht habe.

“Schön, mal wieder von dir zu hören”, maile ich also. “Wieso wieder?”, fragt er zurück. Selbstverständlich bin ich an diesem Punkt bereits stockbeleidigt, schließlich habe ich noch dasselbe Foto wie vor anderthalb Jahren in meinem Profil geparkt. Ich weise ihn also schon deutlich schmallipiger auf unser sehr reales Treffen hin und schließe mit den Worten: “Ich bin dann übrigens gegen Morgen abgehauen, du schnarchst ja ziemlich heftig.”

Wen wundert es, dass ich danach nichts mehr von ihm höre? Nur mich. Logischerweise wäre ich gern unvergesslich. Das muss ja nicht heißen, dass man mir ein Leben lang hinterherschmachtet, wenn es nichts geworden ist. Für den Anfang würde es schon reichen, dass man mich nicht gleich wieder vergisst. Und mir nicht, wenn man sich wieder über den Weg läuft, das wenig schmeichelhafte Gefühl gibt, dass ich nur eine Wiedervorlagefrau bin. Eine, die man bei Bedarf wieder aus der Schublade kramen kann, weil einem irgendwie dämmert, dass da noch irgend so eine Frau Ende Vierzig rumliegt, von der man schon längst den Namen vergessen hat.

Mir passiert das nicht zum ersten Mal, deswegen ärgert es mich mehr, als es das sollte. Vor zwei Jahren habe ich mal einen Theaterregisseur kennengelernt, mit dem ich einen sehr netten Sonntagsspaziergang unternahm – mehr nicht. Am Ende hatte er mich zwar zum Essen eingeladen und zu einer seiner Inszenierungen, und ich war erfreut von dannen geradelt. Ich habe danach keine Silbe mehr von ihm gehört, und einige Woche später hatte er sich auch abgemeldet von OkCupid. Letztes Jahr schrieb er mir dann: Er sei damals überraschend mit einer anderen Frau zusammengekommen. Aber es habe nicht lange gehalten. Ob ich noch interessiert sei, ich hätte ihm fast so gut gefallen wie sie?

Mir fiel der Satz eines Sportlers ein, dass nichts so schlimm sei wie die Silbermedaille: knapp daneben, aber trotzdem vorbei. Bronze hingegen sei wie: gerade noch geschafft, juhu! Gekränkter Stolz über den zweiten Platz ist zwischenmenschlich nicht die nützlichste Angelegenheit, denn er kann einsam machen. Aber ich habe trotzdem einige tendenziell barsche Wendungen darauf verwendet, ihm mein Desinteresse auszuschmücken. Second Banana will ich nicht sein!

Vor einem halben Jahr und letzten Monat hat er mir noch mal geschrieben. Nur um sicherzugehen, dass ich es mir nicht anders überlegt habe. Das ist fast schon wieder schmeichelhaft, würde es nicht wirken, als wäre er so überzeugt von seiner betörenden Wirkung auf Frauen, dass er sich mit einer Niederlage nicht abfinden kann. Aber hey – im Grunde ist er doch der auf Wiedervorlage.

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