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Joachim Löw: Er geht voll auf Risiko

Man weiß gar nicht, worüber man sich mehr wundern soll
angesichts dieser Entscheidung: über das Was oder doch das Wann? Bundestrainer Joachim Löw hat wahrhaft sensationell verkündet, künftig auf die drei Münchner
Weltmeister Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller zu verzichten. Nicht
nach dem enttäuschenden WM-Aus in Russland, wo man damit hätte rechnen können. Sondern
ein Dreivierteljahr danach. Und das mitten im Aufschwung des FC Bayern, der
gerade wieder zu Dortmund aufgeschlossen hat und in der Champions League das
deutsche Team mit den besten Aussichten ist.

Offenbar ist in Löw in der monatelangen Pause seit dem
letzten Länderspiel eine Erkenntnis gereift, zu der er nach der Blamage in
Russland nicht fähig war: Es braucht einen Neuanfang.

Warum die drei?

Für alle drei Spieler lassen sich sportliche Gründe finden,
warum sie nicht mehr zu den besten elf deutschen Fußballern zählen. Boateng,
30, war ein Gigant beim WM-Titel. Doch die Zeiten, in denen er zu den besten
Abwehrspielern der Welt zählte, sind ein paar Jahre her. Verletzungen machten Boateng, der vor allem von seiner Athletik lebt, zu schaffen.
Vielleicht auch seine Berufseinstellung, so jedenfalls konnte man Karl-Heinz Rummenigge verstehen, der seinem Profi einst nahelegte, wieder “down to
earth
” zu kommen.

Auch Hummels, 30, einer der kopfballstärksten Spieler der
Welt, wurde wie Boateng im Herbst als Teil der “Altherrenabwehr”
verspottet. Das klang hart, war aber nicht völlig falsch. Ohnehin war es schon
zu seinen besten Zeiten so, dass es ihm guttat, wenn er einen starken Nebenmann
hatte

Es gibt Fragen

Und Müller, 29, der bei den Weltmeisterschaften 2010 und
2014 je fünf Tore und bei der WM 2018 keins mehr schoss, litt darunter, dass
sowohl die Bayern als auch die Nationalelf nicht mehr so offensiv, druckvoll
und schnell spielten wie in ihren Hochphasen von etwa 2010 bis 2016. Ein
Stürmer wie er hängt besonders davon ab.

Man kann Löws Entscheidung also verstehen, es gibt jedoch
auch ein paar Fragen: Musste sie so radikal ausfallen? Hätte er die drei nicht
einfach mal auf die Bank setzen können? Ist das überhaupt guter Stil, die drei
Weltmeister, die anscheinend aus allen Wolken fielen, mitten in der Saison
geradezu zu übertölpeln? Ist es glaubwürdig, das neue Jahr 2019 als Stunde Null
auszurufen, wie er es gemeinsam mit Oliver Bierhoff und Reinhard Grindel tut?
Fußballzyklen verlaufen schließlich nicht nach dem Jahreskalender.

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