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DuMont: Wer liest noch das Lokale?

Christian DuMont Schütte und Isabella Neven DuMont, Chef und Vizechefin des Aufsichtsrats der Mediengruppe DuMont, haben ein gesundes Selbstbewusstsein. “DuMont ist ein über Jahrhunderte hinweg erfolgreiches Unternehmen, weil es sich zu jeder Zeit der Wirklichkeit der Märkte gestellt hat”, haben sie in der vergangenen Woche den Lesern ihrer Tageszeitungen mitgeteilt. Anlass des Textes, dem es nicht an Eigenlob mangelt, ist ein Artikel des Medienbranchenblatts Horizont, der über die Absicht des Konzerns informiert, sich von seinen regionalen Tageszeitungen zu trennen – darunter mit der Berliner Zeitung und dem Kölner Stadt-Anzeiger auch Titel, die überregional eine gewisse Strahlkraft haben oder zumindest lange hatten.

Tatsächlich ist die “Wirklichkeit der Märkte” schon lange trist – nicht nur für DuMont, sondern auch für weitere Regionalzeitungshäuser. Es ist noch keinen Monat her, da wurde bekannt, dass in der Berliner Zentralredaktion der Funke Mediengruppe (zu der die Westdeutsche Allgemeine Zeitung und das Hamburger Abendblatt gehören) 22 Kollegen ihren Job verlieren und fünf derzeit offene Stellen nicht neu besetzt werden. In Berlin sind außerdem 24 Beschäftigte der Berliner Morgenpost betroffen, weil das Kompaktformat der Zeitung eingestellt wird. Und im Funke-Kernland Nordrhein-Westfalen sind laut Berechnungen der Journalistengewerkschaften 300 Stellen in den Bereichen Redaktion, Vertrieb und Vermarktung gefährdet.

Teil des “Zukunftsprogramms Funke 2022” ist zudem, dass der Konzern für seine Zeitungen in Thüringen “verschiedene Szenarien prüft”, darunter den “möglichen Umstieg auf die digitale Zeitung in einigen Regionen”. Als der Essener Konzern zuletzt 2016 im Osten groß umbaute, fielen 150 Stellen weg. Damals wurden die Redaktionen von Thüringer Allgemeine, Ostthüringer Zeitung und Thüringischer Landeszeitung zusammengelegt. Sergej Lochthofen, fast 20 Jahre lang Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, sagte kürzlich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, er gehe davon aus, dass “spätestens” 2022 “ein Teil der Leute” in der Region “keine gedruckte Zeitung mehr haben” werde.

2013 ging die Funke-Gruppe in die Mediengeschichte ein, als sie die Westfälische Rundschau zur ersten Zeitung ohne eigene Redaktion machte. Die Inhalte kommen seitdem von anderen Zeitungen des Hauses und auch von Konkurrenzverlagen. Für die Westfälische Rundschau hat sich unter Journalisten seitdem der Begriff Zombiezeitung etabliert.

Leif Kramp vom Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung an der Universität Bremen sah bereits 2017 ein Problem darin, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung lokale Berichterstattung als “nicht relevant für die eigene Lebenswirklichkeit” ansehe. Wer immer mehr Informationen über digitale globale Kanäle beziehe, dessen Interessen veränderten sich. Das kann man nur zu einem Teil den Zeitungen anlasten, denen es nicht in ausreichendem Maße gelungen ist, ihre Angebote zu modernisieren.

Gestiegene Zustellungskosten

Die DuMont-Gruppe ist nun unter anderem in einer misslichen Situation, weil die Hälfte der Tageszeitungen des Hauses Boulevardtitel sind: der Express, der am DuMont-Hauptstandort Köln erscheint, die Hamburger Morgenpost und der Berliner Kurier. Boulevardzeitungen sind vom veränderten Mediennutzungsverhalten grundsätzlich stärker betroffen, weil die für sie typischen Inhalte im Netz in noch größerem Umfang gratis verfügbar sind als andere Formen des Journalismus. So büßten diese drei DuMont-Zeitungen innerhalb von zehn Jahren mehr als die Hälfte ihrer Auflage ein. Die Hamburger Morgenpost etwa verkauft nur noch 38.400 Exemplare. Man kann da beinahe kaum noch von einem Boulevardtitel sprechen, jedenfalls nicht, falls man unter dem Begriff Boulevard auch eine gewisse Breitenwirkung versteht. Diese Blätter dürften jetzt für DuMont nur schwer zu verkaufen sein.

Als fataler Fehler gilt heute die Entscheidung der DuMont-Gruppe, 2005 die kriselnde Frankfurter Rundschau (FR) zu erwerben, die dann 2012 tatsächlich insolvent ging. Innerhalb kürzester Zeit hatten bei der traditionsreichen Zeitung mehrmals die Besitzer gewechselt. Das spiegelt die Lage auf dem Regionalzeitungsmarkt ganz gut wider. 2013 wurde die FR Teil der FAZ-Gruppe, seit dem April 2018 gehört sie schließlich zur Ippen-Mediengruppe (Münchner Merkur, Hessische/Niedersächsische Allgemeine). Neuerdings ist die FR das interessanteste Beobachtungsobjekt auf dem Regionalzeitungsmarkt, weil dort am 1. März Thomas Kaspar in die Chefredaktion eingestiegen ist. Er war bisher Leiter des Bereichs Ippen Digital, dessen Angebote angesichts ihrer regionalen Ausrichtung eine außergewöhnlich hohe Reichweite haben. Das gilt vor allem für den Merkur und die tz aus München.

Fragt man Verlagsvertreter, warum es finanziell schlecht läuft, kommt die Rede schnell auf den 2015 eingeführten Mindestlohn. Um 300 Millionen Euro pro Jahr habe sich für die Verlage die Zeitungszustellung verteuert, sagte Jürgen Baldewein, Logistik-Geschäftsführer der Süddeutschen Zeitung kürzlich im Deutschlandfunk. Dabei sind die Zustellungskosten in ländlichen Regionen höher als in städtischen. Dort muss ein Austräger oft nur ein paar Meter zurücklegen, bis er beim Haus des nächsten Abonnenten angekommen ist. Auf dem Land hingegen kann zwischen Bauernhof und Bauernhof schon mal ein Kilometer liegen. Und je weniger Zeitungsabos es gibt, desto höher werden die Vertriebskosten pro Ausgabe.

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