/Robert Biedroń: Der Frühlingsmacher

Robert Biedroń: Der Frühlingsmacher

Eine
softe, eingängige Popmelodie. Dazu ein Text im Schlagerstil: “Hab
keine Angst, nimm meine Hand, fühle heute, dass du eine eigene
Stimme hast. Der Frühling
kann, wenn du willst, die ganze Welt verändern.”
Man könnte auch sagen: Der Song taugt als
Wettbewerbsbeitrag beim Eurovision Song Contest.

Doch
an diesem Abend
wird auf der Bühne der Alten
Manege in Gdańsk nicht der polnische Vertreter für den Liederwettbewerb
gesucht. Die Band, die vergangenen Montag das Publikum musikalisch einlullte, gehört zum
Warm-up-Programm
jenes Mannes, der sich wenige Minuten später unter dem Beifall seiner Anhänger den Weg zur Bühne bahnen wird:
Robert Biedroń.

Biedroń
ist Gründer und das
Gesicht von Wiosna
(Frühling), einer linksliberalen
Partei, die Anfang
Februar ihren
Gründungsparteitag
in Warschau mit viel Konfetti beging
und bereits
wenige Tage später in der ersten Wahlumfrage den dritten Platz
belegte. Ein Trend, den
Wiosna
bisher aufrechterhält.
Je nach Meinungsforschungsinstitut würden acht
bis zwölf
Prozent der Wahlberechtigten Biedroń und seiner Partei sowohl bei
den im Mai stattfindenden Europawahlen als auch im Herbst bei der Wahl zum Sejm ihre Stimme geben. Biedroń und seine Wiosna sind die neue Kraft in der polnischen Politik. 1.500 Menschen wollen ihn an diesem Abend in Gdańsk sehen. 

Dass
es so weit kommen würde,
schien vor Jahren noch undenkbar. Obwohl
der 1976 im südostpolnischen Rymanów geborene Biedroń sich bereits
ab den späten Neunzigerjahren in der
linksliberalen SLD engagierte, schien eine politische Karriere
undenkbar.
Denn Biedroń
bekannte sich früh zu
seiner Homosexualität, was
im katholischen Polen selbst der SLD zu heikel
war. Wie sehr Vorbehalte und
sogar Hass gegen Schwule
in Polen verbreitet waren und sind, musste
Biedroń selbst erfahren.
In seiner Jugend trieben
ihn homophobe Anfeindungen
fast in den Suizid. Vor wenigen Jahren wurde
er von rechten Fußballultras
überfallen.
Auf seinen politischen Aufstieg reagierten
einige nationalkonservative
Politiker und
ihre Anhänger mit
Kommentaren,
die allein auf seine
Sexualität abzielten.

Ruf als fleißigster Parlamentarier

2011 gab ihm Janusz Palikot, Gründer der antiklerikalen Bewegung Twój
Ruch (Deine Bewegung), die Chance auf einen aussichtsreichen
Listenplatz. Biedroń nutzte sie, zog ins Parlament ein und erarbeitete sich den Ruf eines fleißigen Parlamentariers. 2014 verließ er den Sejm und bemühte sich in der nordpolnischen
Stadt Słupsk (Stolp),
in der er seinen
Wahlkreis hatte, um das
Amt des Stadtpräsidenten, wie in Polen die Oberbürgermeister
heißen. Mit Erfolg. Mit nur knapp 5.000 Euro in der Wahlkampfkasse setzte er sich durch – gegen den Widerstand der etablierten
Parteien, darunter auch der bürgerlichen PO. Im zweiten Wahlgang wurde er zum ersten offen schwulen Oberbürgermeister einer polnischen Stadt gewählt.

Nun ist Wiosna seine Aufgabe. Biedroń reist durch
die Städte des Landes und wirbt für sich und seine Gruppierung.
Egal
ob an diesem Montag abend in Rzeszow, oder in Kraków, Wrocław oder Gdańsk, die
Veranstaltungen sind innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Es
wirkt, als ob viele Polen und Polinnen
auf einen Politiker wie ihn nur gewartet hätten. “Biedroń
hat bewiesen, dass man trotz aller Widerstände für seine
Überzeugungen einstehen und seinen Weg gehen kann”, sagt Anna
Żochowska auf der Veranstaltung in Gdańsk.

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