/Pro und Contra: Zeitumstellung abschaffen oder nicht?

Pro und Contra: Zeitumstellung abschaffen oder nicht?

Millionen Europäer – mit einem Löwenanteil aus deutschen Teilnehmern – haben im vergangenen Jahr online für eine Abschaffung der Sommerzeit und damit ein Ende der Zeitumstellung gestimmt. Endlich soll Schluss sein mit der nervigen Uhrzeitumstellung zweimal im Jahr, so die Meinung der meisten, die mitmachten. Dennoch gibt es nicht wenige, die sich wünschen, dass alles bleibt, wie es ist. Oder dafür sind, dass Europa einfach für immer auf Sommerzeit umschaltet. Was spricht für die alte, was für die neue Regelung? Jakob Simmank und Dagny Lüdemann aus dem Wissen-Ressort von ZEIT ONLINE sind sich nicht einig. Lesen Sie hier noch einmal ihr Pro und Contra:

Lasst die Uhren ticken! Das ist gesünder

Jakob Simmank argumentiert für die Abschaffung der Sommerzeit.

Das Deprimierendste an der Umstellung der Uhrzeit ist vielleicht der Sonntag im März, an dem die Zeiger oder Digitalanzeigen von zwei auf drei nach vorne gestellt werden. Wer am Abend vorher noch etwas länger wach war, etwas getrunken hat oder feiern war, erlebt dann den müdesten Sonntag des Jahres. Weil wir, wenn wir zur gleichen Zeit aufstehen müssen, an diesem Sonntag nämlich auch noch eine Stunde weniger Schlaf bekommen. Beides doof. Und vor allem nicht wiedergutzumachen durch die scheinbar geschenkte Stunde im Oktober. 

Denn was bringt es einem, länger zu schlafen, wenn dann am Abend in den Straßenlaternen schon vor fünf die Lichter angehen? Und dann ist da noch die Sache mit den Milchkühen, die das ganze Zeigerdrehen einfach nicht verstehen. Immer wenn sie morgens aufs Melken warten müssen, läuft noch mehr Milch in ihre ohnehin prall gefüllten Euter. Eine ganze zusätzliche Stunde, so wie im Herbst, halten sie nicht aus, weil das Euter dann spannt und wehtut. Deshalb portionieren die Bäuerinnen und Bauern die Umstellung um eine Stunde auch – und erstrecken sie über mehrere Tage. Ganz schön nervig.

Aber kommen wir zu den ernsteren Fragen, die es rund um die Umstellung der Uhrzeit gibt: Sie ist ein handfester Eingriff in unseren Schlafrhythmus und bringt unsere innere Uhr gehörig durcheinander – mit Folgen für die Gesundheit­­. Die Schlafforscherin Barbara Knab beschrieb auf ZEIT ONLINE, dass die Uhrenumstellung wie ein Jetlag sei, nur eben schlimmer: Anders als beim Jetlag nämlich hat die innere Uhr nach der Umstellung auf die Sommerzeit durchaus Probleme, weil die meisten Menschen dann eine Stunde früher aufstehen und auf der Arbeit erscheinen müssen.

Der Grund: Die Uhrzeit hat sich zwar verändert, nicht aber der Lauf der Sonne. Und das Sonnenlicht ist nun einmal der wichtigste Zeitgeber der inneren Uhr. Die Folgen davon, dass die Menschen Schwierigkeiten haben, sich an die neue Zeit anzupassen, sind messbar: Die von der Zeitumstellung gebeutelten, unausgeschlafenen Männer und Frauen scheinen mehr Autounfälle zu bauen. Ein US-Ökonom errechnete, dass bei derartigen Sommerzeitunfällen zwischen den Jahren 2002 und 2011 insgesamt 30 Amerikaner starben (American Economic Journal: Smith, 2016).

Außerdem scheinen mehr Menschen nach dem Wechsel auf die andere Zeit im Frühjahr einen Herzinfarkt zu erleiden (European Review for Medical and Pharmacological Sciences, Manfredini et al., 2018). Ein möglicher Grund: ein erhöhtes Level von Stresshormonen im Blut oder ein erhöhter Blutdruck. Und letztlich gibt es Hinweise darauf, dass Richter an den Tagen nach der Frühjahrsumstellung härter urteilen als in anderen Wochen des Jahres. Der Name des Aufsatzes, der das belegt: Müde Strafrichter sind harte Richter (Psychological Science: Cho et al., 2017).

Nun könnte man, wie manche Autorinnen und Autoren vorschlagen, das Fahren an Montagen nach der Zeitumstellung verbieten und auf den kardiologischen Stationen mehr Personal für Herzinfarkte bereithalten. Oder gar die Richterinnen und Richter in den Zwangsurlaub schicken. All diese Beispiele sind vor allem aber gute Gründe, die Uhr im Frühjahr und im Herbst einfach weiterticken zu lassen und nicht an den Zeigern zu drehen. Ja, wir sollten uns endlich von der Sommerzeit verabschieden.

Sommerzeit ist super, aber am besten das ganze Jahr!

Dagny Lüdemann argumentiert für die Abschaffung der Normalzeit. Endless summer!

Klar, es nervt mit der Zeitumstellung, allein schon, weil sechs Monate dazwischen lang genug sind, um zu vergessen, in welche Richtung jetzt eigentlich was gestellt wird. Eine Stunde vor, eine zurück? Länger schlafen oder kürzer? Jedes Mal gucke ich das wieder nach – um es bis zum Frühling beziehungsweise Herbst vergessen zu haben. Deswegen bin ich für die Abschaffung der Zeitumstellung. Aber nicht für die Abschaffung der Sommerzeit!

Wer sich damals durch die EU-Umfrage klickte, wurde zuerst gefragt, ob die bestehende Umstellung auf Sommerzeit im Frühjahr, wie sie hierzulande nach mehrmaligem Hin und Her in ihrer heutigen Form seit 1980 gilt, beibehalten werden soll oder nicht. Erst später wurde noch gefragt, was denn die beste Alternative wäre. Und hier konnte man auch die, wie ich finde, sinnvollste und gesündeste Variante angeben: die ganzjährige Sommerzeit. Bye-bye, Normalzeit!

Warum für mich immer Sommer sein sollte, zumindest uhrzeitmäßig? Weil es dann ganzjährig abends länger hell wäre (Anmerkung zu den schon antizipierten Leserkommentaren:
Ja, ich weiß, es ist je nach Jahreszeit, Längen- und Breitengrad stets
zur gleichen Zeit hell und dunkel, egal wie viel Uhr wir das nennen. Und
ja, wir stellen auch nicht die Uhren um und auch die Zeit
nicht als physikalische Größe, sondern sagen nur, dass die Uhrzeit eine
andere ist. Aber lassen Sie uns das doch jetzt nicht so haarspalterisch
sehen, bitte).

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