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Bernie Sanders: Plötzlich Mitfavorit

Die Mitarbeiterin der New Yorker U-Bahn fühlt
sich nicht zu politischer Neutralität verpflichtet. Als sich die
Karawane von Bernie-Sanders-Anhängern durch die Gänge der U-Bahn-Station
Flatbush Avenue schlängelt und dabei “Bernie, Bernie”-Gesänge anstimmt,
fällt die Frau mit der orangenen Warnweste kurzerhand mit ein, während
sie die aufgeregten Besucher Richtung Brooklyn College dirigiert.

Dort reicht die Warteschlange schon über drei
Blocks. 13.000 Menschen sind gekommen, um hier den Mann sprechen zu
hören, dem nicht nur seine Anhänger, sondern auch mehrere Umfragen
bescheinigen, dass er Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl 2020
gefährlich werden kann. Bernie Sanders, 77 Jahre alt, Senator aus
Vermont, selbsternannter “demokratischer Sozialist” startet an diesem
Samstagmorgen seinen zweiten Versuch nach 2016, Präsident der
Vereinigten Staaten zu werden.

US-Präsidentschaftswahl – Bernie Sanders will gegen Donald Trump antreten
Bernie Sanders will sich erneut um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bewerben. Bei den Vorwahlen 2016 musste er sich gegen Hillary Clinton geschlagen geben.

© Foto: Patrick Semansky/AP/dpa

Auf dem Weg zum Innenhof des Campus stehen
Sanders’ Anhänger Spalier. Jeder Gast erhält ein high five, der ein oder
andere bekommt sogar eine Umarmung ab. “Willkommen zu unserer
Revolution”, sagt ein Wahlkämpfer und weist die Besucher Richtung
Innenhof. Es ist ein Grad kalt und auf der Wiese vor der Bühne, auf der
Sanders sprechen soll, liegt matschiger Schnee. Seine Mitstreiter haben
das Beste aus dem schlechten Wetter gemacht und einen Schneemann gebaut –
natürlich gespickt mit “Bernie”-Plakaten.

Auch Rebecca aus Brooklyn hat trotz der Kälte den
Weg zum Veranstaltungsort auf sich genommen. Obwohl schon 13 Politiker
ihre Kandidatur für die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten
bekanntgegeben haben, gibt es für sie nur Sanders – und der ist nicht mal Mitglied der Demokraten. Dass dessen Gegner gern darauf hinweisen,
dass er als alter weißer Mann nicht mehr die immer bunter werdende
Wählerschaft der Demokraten repräsentiere, will die Mitdreißigerin nicht
gelten lassen. “Natürlich wäre es schön, wenn es eine weibliche
Kandidatin gäbe, oder eine Person of Color. Aber die Inhalte müssen
stimmen.” Und die stimmen – da sind sich alle hier einig – natürlich nur
bei Bernie Sanders.

Als hätte die Kampagne von 2016 nie geendet

Der gebürtige New Yorker sei der einzige
Kandidat, der seit Jahrzehnten die gleichen linken Haltungen vertritt,
er sei der einzige der gegen Trump gewinnen kann, und eigentlich hätte er
bereits 2016, als er in der Vorwahl gegen Hillary Clinton scheiterte,
der Kandidat für die Demokraten sein sollen. Viele Unterstützer
waren schon beim letzten Wahlkampf dabei. Es wirkt, als hätte die
Kampagne von 2016 nie geendet.

Und dennoch ist diesmal vieles anders. Statt eines
krassen Außenseiters ist Sanders nun laut Umfragen Mitfavorit auf die
Nominierung
. Seine Forderungen nach einer allgemeinen staatlichen
Krankenversicherung, einem höheren Mindestlohn und einer höheren
Besteuerung von Reichen gelten mittlerweile bei den Demokraten als
Mainstream.

Allerdings hat Sanders einige Änderungen an
seiner Wahlkampftaktik vorgenommen. 2016 warfen Hillary Clintons
Anhänger Sanders vor, er würde sich mit seinem stark auf
Arbeitnehmerrechte und ökonomische Fragen fixierten Wahlkampf nur an die
weiße Arbeiterschaft richten. Seine Anhänger bezeichneten sie als
“Bernie Bros” – ein Syononym für vermeintlich sexistische junge linke
Männer, die Clinton nur verhindern wollten, weil sie eine Frau ist. Auch unter der afroamerikanischen Bevölkerung schnitt Sanders in den Vorwahlen schlecht ab.
Deshalb versucht er nun sein Profil zu schärfen, als jemand, dem
Minderheitenrechte am Herzen liegen.

Noch bevor Sanders die Bühne betritt, hält der
Bürgerrechtsaktivist Shaun King eine Laudatio auf Sanders’ Engagement für
die schwarze Bürgerrechtsbewegung. Unter anderem marschierte er mit
Martin Luther King nach Washington. “Was Bernie in den 60ern gemacht
hat, ist genau so wichtig, wie das was wir heute machen”, ruft King unter
tosendem Applaus. Die Botschaft ist klar und richtet sich an schwarze
Wähler: Sanders hat schon für die Rechte von Afroamerikanern gekämpft,
bevor das in der weißen Mittelschicht cool wurde.

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