/Framing: Die einen sagen “Schmusekatze”, die anderen “Raubtier”

Framing: Die einen sagen “Schmusekatze”, die anderen “Raubtier”

Mächtige Worte wählte der Generalsekretär – ganz dem Thema angepasst. “Wir
erleben”, rief er dem Parteitag zu, “heute eine Revolution, die sich nicht der Besetzung der
Produktionsmittel, sondern der Besetzung der Begriffe bedient.” Um die Macht wiederzuerlangen,
forderte er seine politischen Gefährten deshalb auf, einen “Marsch durch die Begriffe”
anzutreten. Zu diesem Zweck wurde eine “Projektgruppe Semantik” aus Sprachexperten gegründet,
um die Parteiführung in ihrer Wortwahl zu beraten.

Der Generalsekretär hieß Kurt Biedenkopf, die Partei CDU, der Parteitag fand 1973 statt.

Erfunden hat Biedenkopf den Kampf mit Worten natürlich nicht. Das waren die antiken Griechen. Schon sie wussten, was nun wieder aktuell ist: Sprache prägt das Denken. Nur heißt es heute anders: Framing.

Über das Phänomen wird heftig diskutiert, seit ein “Framing-Manual” der ARD öffentlich wurde, verfasst von der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling (siehe Interview nächste Seite). Es geht darum, ob Framing – also der Versuch, mit Begriffen Meinungen zu steuern – gut oder schlecht ist. Ob eine Wissenschaftlerin dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dazu Beratung anbieten darf. Ob man zurückframen muss, wenn die anderen damit anfangen …

In der gegenwärtigen Aufregung wird vom Framing zumeist gesprochen wie von beinahe allmächtigem Wort-Voodoo. Seine Wirksamkeit wird dabei als offensichtlich vorausgesetzt. Doch welche Effekte lassen sich tatsächlich nachweisen? Und welche wissenschaftliche Erkenntnis steht hinter dem Modebegriff?

Frame ist Englisch für Rahmen. Ein solcher hebt einen Ausschnitt der Wirklichkeit hervor und versieht ihn mit einer Wertung. Dahinter steckt die einfache psychologische Erkenntnis, dass die Welt zu komplex ist, um sie in all ihren Facetten zu erfassen. Daher benötigt der Mensch Interpretationshilfen. Dieses Bedürfnis bedient das Framing und versucht dabei, Wahrnehmung – und damit Meinungen – durch gezielt eingesetzte Begriffe zu lenken. Es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob man von einem “Klimawandel” spricht oder von einer “Klimakrise” oder “Klimakatastrophe”, wie neuerdings Politiker der Grünen.

Die Karriere des Begriffs “Framing” ist in Deutschland eng mit Elisabeth Wehling verknüpft. Ihr Buch
Politisches Framing
erschien 2016 zum passenden Zeitpunkt. Die Trump-Wahl, das Brexit-Referendum, der Aufstieg der AfD verschafften ihren Thesen über die Sprache als Waffe im Meinungskampf große Aufmerksamkeit.

Wehling interessiert sich besonders für die Wirkung von Metaphern. Diese Sprachbilder übertragen konkrete Erfahrungen auf abstrakte Konzepte: “etwas begreifen”, “eine Idee verdauen”, “die kalte Schulter zeigen”, aber auch “Rettungsschirm” oder “Treibhauseffekt”. Forscher vermuten schon lange, dass Metaphern eine besondere Macht entfalten können. Das geht zurück bis auf Arbeiten aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, beispielsweise des Kommunikationswissenschaftlers John Waite Bowers und des Ökonomen N. Lamar Reinsch. Der prominenteste Vertreter ist der US-amerikanische Linguist George Lakoff, der Doktorvater von Elisabeth Wehling.

Zwei Begründungen werden für die Annahme genannt: Erstens könnten Metaphern mit einem einzigen Wort viele Assoziationen aktivieren und so sehr effizient ein (Welt-)Bild im Kopf des Empfängers entstehen lassen. Zweitens beruhten viele Metaphern auf körperlichen Erfahrungen und riefen deshalb körperliche Reaktionen hervor – sie gingen regelrecht unter die Haut.

Hirnforscher haben tatsächlich Hinweise darauf gefunden, dass an dieser Vermutung etwas dran sein könnte. Etwa Friedemann Pulvermüller von der Freien Universität Berlin. Er präsentierte Versuchspersonen sowohl wörtlich gemeinte als auch metaphorische Sätze, in denen Bewegungen vorkamen: “Pablo kicked the ball” oder “Pablo kicked the bucket”, (“Pablo schoss den Ball” oder “Pablo biss ins Gras”). Tatsächlich wurden auch bei den Sätzen mit metaphorischer Bedeutung jene Bereiche des Hirns aktiv, welche die jeweiligen Bewegungen steuern, in dem Beispiel also die für die Beine zuständigen. Als Pulvermüller seine Studie bei einem Kongress vorstellte, saß auch George Lakoff im Publikum. Pulvermüller erinnert sich noch gut an dessen Reaktion: “Der wäre fast vom Stuhl gehüpft.”

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