/Urheberrechtsreform: Uploadfilter: Ist die Bundesregierung mit dem Internet überfordert?

Urheberrechtsreform: Uploadfilter: Ist die Bundesregierung mit dem Internet überfordert?

Der peinliche Begriff ist jetzt wieder häufiger zu hören. Fast sechs Jahre
ist es inzwischen her, dass Angela Merkel auf einer Pressekonferenz vom Internet als “Neuland”
sprach. Das Wort galt seitdem als Beleg dafür, dass die Kanzlerin und ihre Bundesregierung von
der digitalen Welt nichts verstehen. Viele Internetnutzer sehen sich jetzt erneut bestätigt:
Die Bundesrepublik Deutschland hat für eine Reform des europäischen Urheberrechts gestimmt und
unterstützt damit auch neue Regeln für das Hochladen von Inhalten auf Plattformen wie YouTube,
Twitter, Instagram oder Facebook.

Bislang gilt: Stellt ein Nutzer beispielsweise ein urheberrechtlich geschütztes Musikvideo
auf die YouTube-Seite, muss die Plattform es löschen, sobald sie eine entsprechende Beschwerde
erhält. Was hochgeladen wird, dafür sind die Nutzer aber zunächst einmal selbst
verantwortlich. Die geplante neue EU-Richtlinie nimmt nun die Betreiber der Seiten in die
Verantwortung und verlangt sicherzustellen, dass rechtlich geschützte Inhalte gar nicht erst
unerlaubt ins Netz gelangen können.

Das ließe sich durch Uploadfilter erreichen: Die Software gleicht jeden von einem Nutzer
hochgeladenen Inhalt mit einer Datenbank aus geschützten Werken ab und lässt nur durch, was
unverdächtig ist. Doch weil in den bislang groben Filtern auch hängen bleiben könnte, was dem
Inhalt eines Rechteinhabers bloß ähnelt, was ihn persifliert oder rezensiert, und weil die
Netzkultur nun mal vom Teilen von Inhalten lebt, ist die Urheberrechtsrichtlinie zum
Hassobjekt geworden.

Deutschland schaffe sein freies Internet ab, heißt es jetzt sinngemäß von professionellen
YouTubern, dem Branchenverband Bitkom oder auf Demonstrationen wütender Teenager. Da ist sie
wieder, die Vorstellung: Unsere Politiker können es nicht.

Dabei schien es zuletzt, als hätten die Gesetzgeber aufgeholt beim Versuch, zeitgemäße
Regelungen für die digitale Gegenwart zu schaffen. Die Europäische Union verabschiedete einige
der strengsten Datenschutzregeln der Welt. Deutschland schuf ein modernes Wettbewerbsrecht,
das es dem Bundeskartellamt erlaubt, die Marktmacht von Internetkonzernen mit neuen Methoden
zu begrenzen; gerade streitet die Behörde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit Facebook
darüber, ob sie dem Konzern untersagen kann, gesammelte Daten uneingeschränkt
zusammenzuführen. Und die OECD-Länder diskutieren darüber, wie man Digitalkonzerne, die
überall Nutzer, aber nirgendwo Fabriken haben, gemeinsam zum Zahlen von Steuern zwingen kann.
Daten schützen, Marktmacht begrenzen, Steuern erheben – dafür gibt es bei vielen Wählern und
Usern Unterstützung.

Auch die Idee des neuen Urheberrechts klingt zunächst nachvollziehbar. Die
Plattform-Unternehmen verdienen schließlich viele Milliarden Euro damit, dass Internetnutzer
sich auf den Seiten bewegen, Daten hinterlassen und Werbung anschauen. Die Inhalte aber, die
sie dort konsumieren, werden von anderen geschaffen. Die Urheber selbst gehen oft leer aus.
Vieles spricht also dafür, deren Interessen besser zu schützen.

Doch weil Künstler, Autoren, Musiker ihre Ansprüche oft an Medienunternehmen abgetreten
haben, ist der Kampf um die Entlohnung der Rechteinhaber vor allem einer zwischen klassischen
Medienkonzernen und den Internetriesen. Deshalb ist keineswegs sicher, dass die eigentlichen
Urheber wirklich bessergestellt würden.

Und noch bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages waren sich die Regierungsparteien
einig, Uploadfilter seien “unverhältnismäßig”. Die Überzeugung dahinter: Um das Urheberrecht
zu schützen, dürfe man mit den groben Filtern nicht zu tief in die Freiheitsrechte der Nutzer
eingreifen. Inzwischen hat die Regierung ihre Meinung geändert – und richtet nach Ansicht
ihrer Kritiker nun womöglich Schaden im Neuland an.

Ende März stimmt das EU-Parlament endgültig über die neue Richtlinie ab. Anschließend muss
sie noch in nationales Recht übertragen und angepasst werden. Viel wird davon abhängen, ob
sich die Wut über die Neuregelung bis dahin noch in politischen Druck übersetzen lässt. Bisher
war die durch die Internetriesen angeheizte Empörung über die Uploadfilter vor allem im Netz
stark. Der YouTuber LeFloid – mit über drei Millionen Abonnenten einer der populärsten in
Deutschland – forderte seine Fans am vergangenen Wochenende deshalb auf: “Regt euch nicht in
den Kommentarspalten der Videos auf, sondern seid vor Ort, seid laut, wehrt euch aktiv.”

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