/“Schule auf dem Zauberberg”: Von der Qual, erfolgreich sein zu müssen

“Schule auf dem Zauberberg”: Von der Qual, erfolgreich sein zu müssen

Berk ist ein großer, runder Junge mit einem hinreißenden Lächeln. Als würde sein Gesicht jedem gleich mitteilen wollen: Ich bin vielleicht ein Loser, aber ein sehr liebenswerter. Natürlich könnte man dieses entschuldigende Lächeln auch anders lesen: Liebe mich doch bitte so, wie ich bin. Berk ist das einzige Kind sehr reicher Eltern und besucht eine Schweizer Eliteschule, die eingebettet in einer fantastischen Berglandschaft liegt. Demnächst muss er sein Abitur machen, doch noch sieht es nicht so aus, als könnte er es schaffen.

Der Regisseur Radek Wegrzyn zeigt in seinem Dokumentarfilm Schule auf dem Zauberberg Kinder von wirklich sehr Reichen aus aller Welt, die in dem Schweizer Internat mit der bestmöglichen Bildung für ein erfolgreiches Leben präpariert werden. Nicht nur mit intensivem Wirtschaftsunterricht, sondern auch mit Musicalproben und Bergsteigen (für die Willenskraft). Wenn es sein muss und gegen Aufpreis, wie bei Berk, auch mit einem Privatcoach.

Wegrzyn lässt Schüler zu Wort kommen, die erzählen, wie es sich anfühlt, mit riesigen Erwartungen beladen in die Welt zu gehen. Schließlich sollen sie es später einmal ihren supererfolgreichen Eltern gleichtun oder sie gar überholen. “Wir erschaffen nichts”, sagt einer. “Wir haben das alles schon, was unsere Eltern nicht hatten.” Auch die Lehrer erzählen, wie sie damit umgehen, dass ihre Schüler derart privilegiert sind. Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein wollen sie den zukünftigen Lenkern der Welt beibringen.

Doch solche Szenen wirken beinahe wie ein Alibi, damit Die Schule auf dem Zauberberg als Dokumentarfilm durchgehen kann, der verschiedene Stimmen zu Wort kommen lässt. In Wirklichkeit lebt der Film von Berk. Einen besseren Protagonisten hätte Wegrzyn kaum finden können, um zu zeigen, welchen Druck Reichtum erzeugen kann. Berk vertraut der Kamera, er erzählt ganz offen, was ihn bewegt. Er lässt sein Gesicht nicht nur strahlen, sondern seinen Körper auch hängen, wenn er beispielsweise Minuten vor Unterrichtsbeginn mutlos auf die Physikaufgaben starrt. Wenn er immer wieder verspricht, sich anzustrengen und dann doch drückt. Entspannen müsse er sich, sagt er seinem Privatlehrer und entspannt dann so tief, dass er sogar den schrillen Alarm der Amokprobe überhört. Alle stehen dann vor dem Haus, nur Berk fehlt.

Die Bilder des zusammengekrümmten Berk an seinem winzigen Schreibtisch im engen Internatszimmer sind gegengeschnitten mit sonnigen, weiten Szenen aus den Ferien, wenn der Junge zu Hause sein darf in Istanbul. Die Welt öffnet sich, er segelt mit seinen beiden Freunden auf der Yacht des Vaters. Das ist das Leben, das er liebt: über alles reden, lachen, Freundschaft, Istanbul. Er weiß, was ihn glücklich macht. Geld ist es nicht. Eine Bar eröffnen vielleicht. Doch das ist undenkbar für seinen Lehrer und erst recht für seinen Vater. Nach der Eliteschule muss die Eliteuni folgen.

In Die Schule auf dem Zauberberg werden ohne Zweifel Luxusprobleme von Menschen gezeigt, die im Luxus aufgewachsen sind. Man kann nicht umhin, gleichzeitig daran zu denken, wie schwer es viele Kinder aus armen Familien haben, an gute Bildung zu kommen. Für Berk wird all die Förderung nämlich noch zu einem leidlichen Happy End führen. Wie schön wäre es, wenn ein öffentliches Schulsystem es sich leisten könnte, alle Schüler und Schülerinnen so zu fördern, damit auch sie erstmals kleine und große Erfolge erleben, Lust am Lernen und eigene Zukunftsvisionen entwickeln.

Trotzdem lohnt ein Blick wie in diesem Film auf die Seite des Luxuslebens. Spätestens wenn Berk sich schwört, dass er seine eigenen Kinder einmal bedingungslos lieben will, nicht nur dafür, was sie leisten und darstellen – und sogleich befürchtet, dass er auch das noch versemmeln könnte, spätestens dann empfindet der Zuschauer genau, welche Qual erfolgreiche Eltern erzeugen können.

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