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Michael Cohen: Große Bühne, wenig Erkenntnisse

Wer die Aussage von Michael Cohen am Mittwoch live verfolgen wollte, hatte große Auswahl. Mehrere TV-Sender und Dutzende Nachrichtenportale übertrugen die Anhörung von Donald Trumps ehemaligem Anwalt im Repräsentantenhaus live – zum Teil mit aktuellen Analysen. Nach fünf Stunden Befragung bleibt jedoch der Eindruck: Gelohnt hat es sich kaum.

Die wenigen neuen Anschuldigungen, die Cohen gegen Trump vorbrachte, sind schwer beweisbar und vieles, was der geschasste “Problemlöser” des US-Präsidenten vor dem Kontrollausschuss aussagte, war durch die Memos des Russland-Sonderermittlers Robert Mueller ohnehin bereits bekannt. Es wirkte, als suche der 52-Jährige noch einmal die große Bühne, bevor er kommenden Monat eine dreijährige Haftstrafe antreten wird, weil er im Wahlkampf illegales Schweigegeld an eine mögliche außereheliche Affäre Trumps zahlte und später den Kongress über ein Bauprojekt Trumps in Moskau belogen hatte.

Die Demokraten, die seit Anfang des Jahres über eine Mehrheit im Repräsentantenhaus verfügen, hatten Cohen erneut zur öffentlichen Anhörung geladen. Schon am Abend zuvor publizierten US-Medien dessen Eingangsstatement. So war bereits im Vorfeld klar, dass Cohen schmutzige Details aus Trumps Geschäfts- und Privatleben öffentlich machen würde.

Und das tat er auch: Trump sei ein “Rassist, Hochstapler und Betrüger” sagte Cohen vor klickenden Kameras. Er führte aus, dass der US-Präsident über die Höhe seines Vermögens falsche Angaben mache, wenn es ihm Vorteile bringe und erwähnte, dass er Afroamerikaner als “zu dumm” bezeichne, um ihn zu wählen. Außerdem sei er der Meinung, dass alle Länder, die von Schwarzen regiert würden, “Dreckslöcher” seien.

Trump ist fein raus

Das mag Trumps Gegner zwar in ihrer Ablehnung bestärken. Die Höhe von dessen Vermögen und seine fragwürdige Einstellungen gegenüber Minderheiten sollten allerdings nicht der Gegenstand der Anhörung sein.

Der demokratisch Ausschussvorsitzende Elijah Cummings aus Maryland identifizierte vor allem drei wichtige Fragen an Cohen. Hat Trump die von Cohen gezahlten Schweigegelder in Auftrag gegeben und wusste er, dass diese illegal waren – was strafrechtlich relevant wäre? Wusste er über die Herkunft der E-Mails bescheid, die russische Hacker während des Wahlkampfes der  Parteiführung der Demokraten gestohlen hatten und die Wikileaks im Juli 2016 veröffentlicht hatte? Und hat Trump Cohen angewiesen, den Kongress über seine Geschäftsverbindungen nach Moskau zu belügen? 

Gerade letzteres wäre eine schwere Straftat. Laut Cohens Aussage hatte Trump ihm aber nur mit Nachdruck gesagt “es gibt keine Geschäfte in Russland”. Das habe er als codierten Auftrag wahrgenommen, die Abgeordneten hinters Licht zu führen. Aber selbst wenn Cohens Schilderungen zutreffen sollten, eine explizite Anweisung wäre das nicht.

Auch was Trumps Kenntnis zu den Wikileaks-Veröffentlichungen anging, bot Cohen wenig. Er habe nur ein Gespräch mitbekommen, indem Trump sich gegenüber seinem Berater Roger Stone erfreut über die mögliche Veröffentlichung dieser Dokumente gezeigt habe. Ob der US-Präsident wusste, dass die Daten laut den Ermittlungen Robert Muellers ursprünglich von russischen Hackern stammten, geht aus dieser Episode nicht hervor. Erst recht sagt sie nichts darüber, ob Trump mit diesen zusammengearbeitet hat. Allerdings hat Trump bestritten, je mit Stone über Wikileaks gesprochen zu haben. Einer der beiden lügt also. 

Keine handfesten Beweise

Seine letzte Anschuldigung konnte Cohen allerdings mit Dokumenten belegen. Der ehemalige Vertraute des Präsidenten übergab dem Ausschuss einen Scheck über 35.000 Dollar, den Trump mutmaßlich von seinem persönlichen Bankkonto ausgestellt und unterschrieben hatte. Dabei soll es sich laut Cohen um eine Teilrückzahlung der 130.000 Dollar handeln, die er als Schweigegeld an Trumps mutmaßliche Affäre Stephanie Clifford gezahlt hatte.

Sollte sich der Scheck als authentisch herausstellen, wäre das zumindest ein starkes Indiz, das Trump die Zahlung veranlasst hat, was ein schwerer Verstoß gegen die Wahlkampfgesetze wäre. Obendrein stellte Trump den Scheck im August 2017 aus – als er bereits Präsident war. Allerdings enthält er keinen Verwendungszweck. Ein unmittelbarer Zusammenhang zu den Schweigegeldzahlungen ist deshalb zwar plausibel, aber nicht bewiesen. 

Weitere Erkenntnisse dürfte wohl nur der mit Spannung erwartete Abschlussbericht Robert Muellers bringen, der zeitnah veröffentlicht werden soll. Deshalb hätten die Abgeordneten die Anhörung auch beenden können, nachdem Cohen alle Fragen zu den vom Ausschussvorsitzenden vorgeschlagenen Themen beantwortet hatte. Stattdessen entwickelte sich eine lautstarke Auseinandersetzung, die teilweise grotesk wirkte.

Peinliche Show

Die Republikaner versuchten stundenlang Cohens Glaubwürdigkeit zu untergraben, indem sie darauf hinwiesen, dass dieser sich selbst Straftaten schuldig gemacht und in der Vergangenheit gelogen habe. Dieser Vorwurf wirkt allerdings unsinnig, weil Kronzeugen immer auch selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt sind. Strafverfahren gegen kriminelle Vereinigungen wären ohne die Mitwirkung von Mittätern kaum möglich. Außerdem ist Cohen bereits verurteilt. Die Aussage vor dem Kongress kann also keine positiven Auswirkungen mehr auf seine Gefängnisstrafe haben.

Neben persönlichen Anfeindungen versuchten Trumps Mitstreiter zudem auffällig plump, den positiven Charakter des Präsidenten hervorzuheben. Der Abgeordnete Mark Meadows aus North Carolina sagte zum Beispiel, er habe den Präsidenten nie etwas Rassistisches sagen hören. Er holte sogar eine dunkelhäutige Mitarbeiterin Trumps auf die Bühne, um zu untermauern, dass dieser keine Vorurteile gegenüber Afroamerikanern hege.

Die Demokraten agierten jedoch ähnlich peinlich. Sie überschütteten dem gerade verurteilten Cohen mit Komplimenten zu seinem Gesinnungswandel und wünschten ihm und seiner Familie alles Gute. Der Abgeordnete Jim Cooper aus Tennessee fragte sogar, welchen Rat er jungen Anwälten geben wolle, um nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Einige demokratische Abgeordnete nutzten die Anhörung fast ausschließlich dazu, Hinweise auf Charakterschwächen des Präsidenten zu finden. Jackie Speier aus Kalifornien fragte etwa, ob Trump ein uneheliches Kind habe. 

Viel Wirbel, wenig Neues

Donald Trump dürfte diese Anhörung allein jedenfalls kaum schaden. Während er sich in Hanoi bei den Verhandlungen mit Nordkorea als Diplomat profilieren kann, werden die Anschuldigungen gegen ihn immer kleinteiliger und damit immer unverständlicher für einen großen Teil der US-amerikanischen Öffentlichkeit.

Warum etwa eine sechsstellige Schmiergeldzahlung zum Schutz des eigenen Privatlebens im Wahlkampf verboten ist, gleichzeitig aber dreistellige Millionenbeträge von Großunternehmern für die indirekte Wahlkampffinanzierung legal sind, dürfte Rechtslaien nur schwer zu vermitteln sein. Republikanische Wähler teilen laut Umfragen ohnehin die Einschätzung des Präsidenten, dass die Ermittlungen gegen ihn eine Hexenjagd seien.

Die wenigen Erkenntnisse, die Cohens Aussage versierten Beobachtern der Mueller-Ermittlungen lieferten, stehen jedenfalls in keinem Verhältnis zu dem Medienspektakel, das die US-Presse rund um die Anhörung veranstaltete.

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