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Kölner Karneval: Unter Betonköpfen

Im Kölner Karneval gehört das eigentlich zum Standardprogramm: Der Comedian Bernd Stelter, meist mit Gitarre vor dem Wohlstandsbauch, steht auf der Bühne und bringt die Leute zum Lachen. Als er aber über den Doppelnamen der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer klamaukte, kam es auf der angesehenen Karnevalssitzung, die vergangenen Freitag vom WDR aufgezeichnet wurde, kurz zu einem Eklat. Eine Frau aus dem Publikum stand auf, marschierte auf die Bühne und sagte Stelter ins Gesicht, dass sie Witze über Doppelnamen nicht lustig findet. “Männernamen sind immer toll – und Frauennamen sind immer scheiße und Doppelnamen sind doppelscheiße”, sagte sie. Seitdem debattiert das Land darüber, ob Komiker Stelter, der sich auf die “Freiheit des Narren” berief, einen gendermäßig unzeitgemäßen Gag auf Kosten von Frauen gemacht hat oder ob man diesen als Gast einer karnevalistischen Sitzung nicht einfach ertragen muss.

Die Frau, die sich kurz darauf in Interviews als Gabriele Möller-Hasenbeck aus Weimar zu erkennen gibt, musste sich einiges anhören. Einen Shitstorm mit “vielen schlimmen persönlichen Dingen” habe sie erleben müssen. Die negativen Stimmen seien vor allem aus Köln gekommen, sonst habe sie auch viel Zuspruch erhalten, sagte sie dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der Vorfall wurde derart ventiliert, dass man kurz hätte denken können, er habe die Wucht für eine neue #MeToo-Debatte. Der WDR hat die Szene nun aus der Aufzeichnung geschnitten.

In der ganzen Hysterie rückte eine Sache in den Hintergrund. Abseits von #steltergate ereignete sich genau in jener Sitzung unbemerkt aber auch eine kleine Revolution im organisierten Kölner Karneval. Erstmals war der Elferrat in der prestigeträchtigen WDR-Fernsehsitzung mit fünf Frauen besetzt. Dabei handelt es sich um ein Gremium, das den Sitzungsleiter und zehn weitere Narren stellt, die mit Schunkeln, Klatschen und Mitsingen beim Publikum für Stimmung sorgen sollen. Die Besonderheit: Gerade bei Fernsehsitzungen war der Elferrat bisher fest in Männerhand. 

Dabei ist es noch nicht allzu lange her, dass der Kölner Karneval zu bester Sendezeit ein befremdliches Bild in die Republik schickte: Männer nahe am Greisentum, die stocksteif auf ihren Stühlen verharrten und ab und an in die Hände klatschten. Noch heute wird so mancher Zuschauer aus den karnevalsfreien Regionen denken: Sitzungskarneval? Das ist diese Mischung aus schlüpfrigen Herrenwitzen und Männern mit Narrenkappen, die im Biernebel zu sabbern anfangen, wenn ein Funkenmariechen in kurzem Rock über die Bühne gewirbelt wird.

“Keine reine Männerveranstaltung”

“Wer von außen auf den Kölner Karneval blickt, könnte denken, dass ist eine reine Männerveranstaltung, aber das ist nicht die Realität”, sagt Michael Kramp, Sprecher und Vorstandsmitglied des mächtigen Festkomitees des Kölner Karneval von 1823, das auch die aufgezeichnete WDR-Sitzung ausgerichtet hat. “Der Karneval hat sich in den vergangenen 20 Jahren stark verändert.” Die Zeit des Herrenwitzes sei lange vorbei, das habe der Markt von allein geregelt. “Es gibt keinen Redner mehr, der so etwas anbietet. Das will auch keiner mehr hören.” Und: Frauen seien längst fester Bestandteil des Brauchtums. Die Veränderung und die Anpassung an den gesellschaftlichen Status Quo hat sich das Festkomitee in seinen elf Leitsätzen selbst verordnet. Der Kölner Karneval soll demnach “gesellschaftskritisch, werteorientiert und unabhängig” sein.

Lange Zeit aber fristeten die Frauen im Karneval ein eher humorloses Dasein. Die Karnevalsgesellschaften waren früher reine Männerbünde, in manchen dieser Traditionsvereine dürfen Frauen bis heute nicht Mitglied werden. Um sie dennoch bei Laune zu halten, wurden in der närrischen Zeit Hausfrauennachmittage veranstaltet, eine Art Lachprogramm als Alltagsflucht. Bis in die Siebzigerjahre hinein war es Frauen nicht einmal gestattet, beim Kölner Rosenmontagszug mitzulaufen.

Zu den Pionieren der karnevalistischen Frauenbewegung gehört Biggi Wanninger. In den Neunzigern stieß sie zum Ensemble der Stunksitzung, die sich als Gegenbewegung zum organisierten Karneval gegründet hat. Als die Kabarettistin vor 20 Jahren Präsidentin der Stunker wurde, wurde sie als Exotin bestaunt. Eine Frau als Chef einer Karnevalssitzung, das kannte man nicht. “Ich glaube, dass wir durch unsere satirische Kritik an den verkrusteten Strukturen im organisierten Karneval schon einiges bewirkt haben”, sagt Wanninger. “Außerdem sind die ‘Betonköpfe’ nicht mehr so zahlreich vertreten.”

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