/Jens Spahn: Gesundheitspolitik ist keine One-Man-Show

Jens Spahn: Gesundheitspolitik ist keine One-Man-Show

Man stelle sich vor, es gäbe ein neues medizinisches Verfahren, das – so versprechen es vollmundig die Entwickler – Leben retten könnte, und die Kassen wollten es nicht bezahlen. Aber es gäbe da einen Bundesgesundheitsminister, der dafür sorgte, dass den Patientinnen und Patienten dieser medizinische Fortschritt doch zugutekäme. Was bekäme der für einen Beifall!

Vielleicht ist es solch ein Heldenszenario, das Jens Spahn herbeisehnt. Vor ein paar Wochen hat er es schon mal probiert: Er wollte persönlich durchsetzen, dass die Krankenkassen Frauen, die an einem Lipödem leiden, eine Fettabsaugung bezahlen. Der Beifall kam damals allerdings nicht von allen Seiten, um es vorsichtig zu sagen. Und das lag weniger an berechtigten Zweifeln an der Methode, die tatsächlich keinen nachgewiesenen Nutzen hat. Die Kritik war deswegen so laut, weil Spahn das Gesundheitssystem grundsätzlich geändert hätte, wäre er mit seinem Vorhaben durchgekommen – und zwar nicht zum Positiven, wie die Kritiker monierten. Beim Lipödem konnte Jens Spahn sich nicht durchsetzen. Jetzt hat er es erneut versucht: Im Kleingedruckten eines an sich sinnvollen Gesetzesentwurfs zur Kontrolle von Implantaten findet sich eine Passage, die ihm die Macht geben soll, neue Verfahren höchstpersönlich zuzulassen.

Bislang befindet der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) darüber, ob ein medizinisches Verfahren zugelassen und damit von den Krankenkassen bezahlt wird – und zwar weitgehend unabhängig von Einflüssen aus der Politik. Der GBA ist besetzt mit Vertreterinnen und Vertretern der Krankenkassen, der Krankenhäuser und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Dazu kommen drei unabhängige Mitglieder, von denen eines den Vorsitz führt.

Der Ausschuss lässt unabhängige Experten nach strengen Kriterien der evidenzbasierten Medizin wissenschaftlich begutachten, ob ein neues medizinisches Verfahren einen zusätzlichen Nutzen hat. An diesen Gutachten orientiert er seine Entscheidungen. Und die stoßen durchaus auf Kritik: Die Anbieter medizinischer Verfahren wollen nicht wahrhaben, dass ihre Methode keinen Nutzen haben soll. Ärztinnen und Patienten beschweren sich, dass wegen der manchmal langwierigen Prüfung manches Heilsversprechen nicht schnell genug umgesetzt werden kann.

Auch wenn das Verfahren mühsam ist und nicht alles immer glattgeht: Die Arbeit des GBA hat sich bewährt. Kassenpatienten werden vor Scheininnovationen geschützt, die ihnen nicht nutzen, sondern womöglich sogar schaden können. Das Risiko ist gerade bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden hoch: Mit ihnen konnten Ärzte oder Patientinnen bislang nur wenige Erfahrungen sammeln. Wenn nun ein Gesundheitsminister entscheidet, was bezahlt wird: Wonach wird er sich richten? Nach wissenschaftlicher Evidenz? Dann könnte er wie bisher auf den GBA setzen und brauchte diese Machtbefugnis nicht. Oder nach dem Willen seiner potenziellen Wählerinnen und Wähler? Dann entscheidet womöglich bald Populismus statt Evidenz über die Zulassung.

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