/FC Augsburg: Kapriolen aus der Puppenkiste

FC Augsburg: Kapriolen aus der Puppenkiste

Stefan Reuter nimmt seinen “Reuter Spezial”, wie Mitarbeiter hier sein bevorzugtes Heißgetränk nennen, auf der Eckbank im Gastraum, der an Spieltagen als Fankneipe dient. Milchkaffee mit einem Schuss Kakao. Sein kleiner Kritikpunkt jetzt: Im Automaten gehe die Milch zur Neige. Wenn Reuter lacht, verschwinden die Augen.

Hinter dem Fenster in seinem Rücken dreht sich sachte ein Baukran auf das Stadion zu, die WWK Arena des FC Augsburg wird bis zum Sommer erweitert. Der Businesstrakt für Sponsoren soll komfortabler werden, die Mannschaft bekommt neue Funktionsräume. Im Nachwuchsleistungszentrum entsteht schon der sechste Trainingsplatz. Der ganze Club wächst.

Auch in seinem siebenten Jahr als Geschäftsführer Sport spricht der Franke Reuter, 52, noch von einer “reizvollen Aufgabe”, mehrfach fällt das Wort “Gemeinschaft”, wenn er das Klima beim FCA beschreibt, “an einem Strang” wird in fast jedem dritten seiner Sätze gezogen. Hauruck. Ein bisschen Stolz schwingt in der Melodie immer mit, der Subtext lautet: Wer hätte uns diese Entwicklung zugetraut? Der damalige Präsident und Investor, der Textilunternehmer Walther Seinsch, hatte beim Bundesligaaufstieg 2011 prophezeit, man werde in den ersten fünf Jahren sowieso zweimal absteigen. Doch jetzt wollen sie in Augsburg auch im neunten Jahr in Serie erstklassig spielen, wenn es denn wieder mit dem Klassenerhalt klappt. Es wird diesmal eng.

“Wir bleiben Realisten”, sagt Reuter, bevor sein Blick auf dem Schaufenster an der Wand hängen bleibt. “Doch für positive Ausreißer sorgen wir gern.” In dem Schaufenster sind Souvenirs von der bisher einzigen Teilnahme an der Europa League drapiert, einem Abenteuer, das 2016 mit zwei Spielen gegen den FC Liverpool endete. “Ab und zu sorgen wir halt schon für Aufsehen”, kommentiert Reuter mit einem Grinsen, das deutlich macht, dass er auf etwas anspielt. Klar, die Sorte Aufsehen, die es in diesem Jahr gab, hatte in Augsburg niemand für möglich gehalten.

Augsburgs neuer Star: Helikopter-Jens

Plötzlich sprach man vom betulichen FCA, der an diesem Freitag auf den Tabellenführer Dortmund trifft, als dem FC Hollywood der Bundesliga. Binnen 16 Stunden wurden in der Stadt des berühmten Marionettentheaters zwei Spieler wegen Disziplinlosigkeit oder offener Aufsässigkeit suspendiert. Keine Woche später engagierte Reuter seinen früheren Dortmunder Teamgefährten Jens Lehmann als Co-Trainer, eine Berühmtheit für Augsburger Verhältnisse. Und eine schillernde Figur, die früher mal Helikopter-Jens genannt wurde, weil der Torwart im Hubschrauber zur Arbeit beim VfB Stuttgart kam.

“Der neue Star des FC Augsburg”, notierte der Boulevard über den Trainerassistenten. Reuter schien die Aufregung zu überraschen. Erst nach Tagen reagierte er auf die Spekulationen, die sich um Lehmanns Präsenz an der Seite des vergleichsweise blassen Cheftrainers Manuel Baum rankten. Ja, es könne sein, dass Jens Lehmann dereinst irgendwo Cheftrainer werde, stellte Reuter klar. Er könne aber ausschließen, dass Lehmann der Nachfolger Baums werde.

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